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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gegenwart hat mit Ihren Acten gar nichts zu thun.«
    »Was wollen Sie?«
    »Schuberts wollen ihren Jungen gern wieder haben.«
    Er hatte nur auf den Strauch geschlagen, aber es glückte, denn sie antwortete sofort:
    »Da mögen sie ihn sich doch holen!«
    »Sie wissen ja gar nicht, wo er ist!«
    »Hat Seidelmann es Ihnen nicht gesagt?«
    »Nein, weil die Eltern gänzlich verzichten sollten.«
    »Mir kann es gleich sein, ob sie ihn wieder bekommen oder nicht. Aber er wird seine hundertzwanzig Gulden wieder verlangen.«
    »Die er Seidelmann gegeben hat?«
    »Ja.«
    »So erhält er sie. Wer ist es denn?«
    »Der Circusdirector.«
    »Sie meinen den Director des hiesigen ständigen Circus. Nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Ich danke. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht. Gott sei Dank, das war doch wenigstens einmal kein Polizist!«
    Diese Worte hörte er noch.
    Als er nun durch die Stadt nach dem Circus ging, war es ihm, als ob er von seiner Ahnung nicht betrogen worden sei. Er wollte sich nun volle Sicherheit holen.
    Er kannte die Verhältnisse des Circus sehr genau. Er hatte sich mit einer früheren Schulreiterin befreundet, welche jetzt, da sie alt und abgeblüht war, nun zu allerlei Nebenleistungen verwendet wurde, durch welche sie sich beleidigt fühlte. Sie war nicht mehr geachtet und hatte ein sehr geringes Einkommen. Das hatte sie erbittert, und nun war sie leicht geneigt, gegen ihren Prinzipal zu conspiriren, was Anton bereits öfters zu statten gekommen war.
    Er hatte freien Zutritt. Die Zeit der Proben war vorüber, und diejenige der Vorstellung noch nicht gekommen. Er schlenderte also durch die leeren Räume und nach dem Stalle, ohne sie zu sehen.
    Eine Ecke des Baues wurde während der Vorstellung als Restauration benutzt. Dort endlich fand er sie, bei einem großen Schnapsglase sitzend. Sie winkte ihm mit der Hand einen Gruß entgegen und bedeutete ihm, sich zu ihr zu setzen.
    »Nichts zu thun?« fragte er.
    »Ich? Was soll ich thun? Wozu braucht man mich?«
    »Na, na!«
    »Was denn? Sie sagen, ich sei zu alt!«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Warum haben sie mir denn wieder für den Monat fünf Gulden abgezogen?«
    »Schon wieder?«
    »Ja. Ich kann verhungern!«
    »Das ist schändlich!«
    »Vor zehn Jahren, ja, da poussirte er mich noch.«
    »Der Esel! Sie sind jetzt noch ebenso appetitlich!«
    »Meinen Sie?«
    »Eine geistreiche Frau wird nie alt.«
    »Sie sind der einzige gescheidte Kerl, den ich kenne! Aber es nützt mir nichts. Wenn man halb verhungert, wo soll man da noch schön und appetitlich sein. Eine Frau muß Formen haben; der Hunger aber zehrt.«
    »Na, hungern werden Sie doch nicht gerade!«
    »Nicht? Habe ich etwa heute schon etwas gegessen?«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein. Einige Gläser Schnaps, das ist Alles, was mir über die Lippen gekommen ist.«
    »Du lieber Gott! Ich wollte, ich wäre reich.«
    »Ja, Sie würden es anwenden. Sie würden mir ganz gewiß Etwas borgen.«
    »Ja, denn ich habe ein ganz eigenthümliches Interesse für Sie.«
    »Könnten Sie denn nicht wenigstens etwas thun?«
    »Wohl nicht. Gerade heute nicht.«
    »Warum gerade heute nicht?«
    »Weil ich mich ganz ausgegeben habe. Und wenn Sie mich aufschneiden, so finden Sie doch nur zwei Gulden bei mir.«
    Er hatte nämlich aus Vorsicht zwei Gulden im Portemonnai gelassen, das andere Geld aber versteckt.
    »Zwei Gulden, das ist für mich schon viel!«
    »Ich muß damit drei volle Tage reichen.«
    »Pah! Sie haben Credit.«
    »Nicht übermäßig.«
    »Aber doch. Wie wäre es, wenn Sie mir die zwei Gulden bis zum nächsten Gagentage borgten?«
    »Sapperment! An wie viel Gagentagen haben Sie mich eigentlich schon bezahlen wollen?«
    »Diesesmal sicher.«
    »Es war allemal sicher.«
    »Mensch, auch Sie werden obstinat! Ich hänge mich noch.«
    »Warten Sie lieber noch! Zum Hängen kommt man stets zeitig genug. Hier sehen Sie mein Geld: Gerade zwei Gulden. Ich kann nun einmal gegen Sie nicht anders sein. Nehmen Sie das Geld! Ich will sehen, wie ich verkomme.«
    »Mensch, Christ, Engel! Sie sind weiß Gott der beste Kerl, den ich kenne. Ich hätte nicht einmal diesen Schnaps bezahlen können. Jetzt bin ich gerettet!«
    »Wenigstens auf einen Tag!«
    »Das genügt. Trinken Sie einen Doppelkümmel mit?«
    »Ich danke! Wer reitet heute die hohe Schule?«
    »Miß Rocca. Hole sie der Teufel!«
    »Hörte ich nicht, daß ein neuer Clown engagirt sei?«
    »Weiß nichts davon.«
    »Oder war es etwas Anderes. Ich bin überhaupt seit längerer Zeit nicht im

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