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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Circus gewesen.«
    »Ja, Sie haben auch mir gefehlt.«
    »Wie haben Sie denn eigentlich jetzt die Kinderrollen besetzt?«
    »Seit wann interessiren Sie sich dafür?«
    »Das Interesse ist nicht bedeutend. Ich dachte eben nur so daran.«
    Sie blickte ihn von der Seite an und antwortete:
    »Wollen Sie mir das weiß machen? Mir?«
    »Wieso?«
    »Spielen Sie doch wenigstens nicht mit mir Verstecken. Ich bin zu gescheidt dazu. Oder wenigstens habe ich Sie zu gut studirt, als daß ich nicht wüßte, was Sie meinen.«
    »Na, was meine ich denn?«
    »So speciell läßt es sich nicht sagen. Etwas aber wollen Sie erfahren. Gestehen Sie es nur! Es ist besser. Sie wissen ja, daß ich Ihnen gern gefällig bin.«
    »Na, dann meinetwegen, ja.«
    »Ist’s gefährlich für uns?«
    »Gar nicht!«
    »Für den Director?«
    »Auch nicht. Aber einen Anderen kann es packen.«
    »Wen? Kenne ich ihn?«
    »Ja. Ich meine den Herrn Seidelmann.«
    »Den Jesuiten? Den kann der Teufel reiten. Wenn ich dem Eins auswischen kann, so thue ich es ganz gewiß. Also, um was handelt es sich?«
    »Um einen Jungen.«
    »So, so! Wie alt?«
    »Fünf Jahre und blond. Sehr hübsche Figur.«
    »Zu welcher Zeit?«
    »Vor Weihnachten.«
    »Stimmt, stimmt! Ein Engel von einem Kinde! Wird aber wohl auch Engel geworden sein.«
    »Sie besinnen sich also!«
    »Ja. Der Seidelmann kam und tuschelte einige Male mit dem Director. Dann wurde der Junge gebracht. Er kostete, glaube ich, hundertzwanzig Gulden.«
    »Das ist richtig.«
    »Nach einigen Tagen hatte er aber schon das Bein gebrochen. Armer Wurm!«
    »Mein Gott.«
    »Der Alte wollte ihn gern loswerden, und als der Bormann zufällig kam –«
    »Meine Ahnung! Der Bormann hat ihn bekommen?«
    »Ja.«
    »War das Kind wieder gesund?«
    »Gott bewahre, das Bein hing nur so an der Flechse; aber der Bormann machte das Wimmern doch sofort still.«
    »Mit der Peitsche?«
    »Natürlich.«
    »Bestie!«
    »Ich denke, der Kleine wird es nicht lange getrieben haben.«
    »Er ist todt.«
    »Nicht wahr? Dachte es mir! Bei dem Bormann steckte das Leben eines Kindes nicht fest. Hoffentlich wird es ihm nun aber selbst an den Kragen gehen. Er hat gemordet.«
    »Ja. Ich glaube nicht, daß er mit dem Leben davonkommt. Jetzt aber will ich wieder aufbrechen.«
    »Schon!«
    »Ja. Ich muß doch sehen, wo nun ich etwas gepumpt bekomme, da ich Ihnen meinen Rest gegeben habe. Guten Abend!«
    »Guten Abend, Liebling! Bald wieder!«
    »Sobald ich wieder bei Casse bin!«
    »Schön! Desto willkommener!«
    Er ging, um dem Fürsten das Ergebniß seiner Nachforschung mitzutheilen.
    Es war an demselben Abende wenig vor Mitternacht. Der Wachtmeister Uhlig hatte die Runde durch die Zellengänge gemacht und sich kaum erst zur Ruhe niedergelegt, so wurde er von dem wachthabenden Zellenschließer wieder aufgeweckt.
    »Was giebt es denn?« fragte er den draußen Klopfenden.
    »Nummer fünfundzwanzig plötzlich krank geworden.«
    »Wer ist das gleich?«
    »Apotheker Horn.«
    »Was fehlt ihm denn?«
    »Blutsturz.«
    »Sapperment! Komme gleich!«
    Er beeilte sich sehr, denn ein Blutsturz ist gefährlich. Als er an die betreffende Zelle kam, wartete der Schließer voller Rathlosigkeit auf ihn. Die Zelle schwamm im Blute, und der Kranke lag mit geschlossenen Augen und bleich wie der Tod auf dem Strohsacke.
    »Herrgott! Lebt er noch?«
    »Ich glaube.«
    »Dann heraus einstweilen mit ihm auf einen reinlichen Strohsack.«
    Strohsäcke lehnten an den Wänden. Es wurde einer neben die offene Zellenthür gelegt und der Kranke darauf. Die beiden Männer knieten bei ihm nieder.
    »Ich fühle keinen Puls«, sagte der Wachtmeister. »Horn, heda, Horn!«
    Der Patient schlug die Augen auf.
    »Hören Sie mich?«
    Er nickte leise.
    »Wie befinden Sie sich?«
    »Schwach«, lispelte er.
    »Haben Sie Schmerzen in der Brust?«
    »Ja.«
    »So müssen wir gleich zum Doctor schicken.«
    Der Kranke schüttelte den Kopf.
    »Nicht? Warum nicht?«
    »Doctor kann auch nichts thun.«
    »Aber wenn Sie nun sterben?«
    »Nein – schon gehabt – blos Ruhe – Bett.«
    Er sagte das langsam und äußerst leise.
    »Hm, er hat vielleicht Recht«, meinte der Wachtmeister.
    »Ja; er ist ja Apotheker, er muß es verstehen.«
    »Und der Bezirksarzt schimpft, wenn er geweckt wird.«
    Und lauter fügte er hinzu.
    »Sie wollen also keinen Arzt?«
    »Nein.«
    »Verantworten Sie es?«
    »Ja.«
    »Na, gut! So wollen wir ihn wenigstens nach der Krankenstation schaffen. Auf dem Strohsacke kann er nicht

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