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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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berichtete leise flüsternd Alles, was Seidelmann noch nicht wußte. Unterdessen hörten sie draußen Schritte kommen.
    »Still! Der Schließer!«
    Er öffnete die Thür und kam mit der Laterne bis an das Bett des Apothekers.
    »Schlafen Sie?« fragte er.
    »Nein«, hauchte der Kranke.
    »Wie steht es?«
    »Gott wird helfen.«
    »Versuchen Sie zu schlafen!«
    Er entfernte sich wieder und schloß zu. Die Beiden warteten eine Weile, dann sagte Seidelmann:
    »Wenn es so steht, so ist es schrecklich. Einigen geht es an das Leben, Viele erhalten lebenslänglich Zuchthaus.«
    »Wie zum Beispiel ich.«
    »Und ich auch.«
    »Also brenne ich durch.«
    »Wie denken Sie sich denn dieses Durchbrennen?«
    »Es ist kinderleicht. Vorher aber muß man wissen, wohin.«
    »Nach Amerika?«
    »Fällt mir nicht ein. Da haben sie Einen gleich.«
    »Dann wo anders hin. Der Ort ist mir gleich, nur hinaus!«
    »Aber Geld! Geld!«
    »Ach so! Ja, das ist die Hauptsache.«
    »Ich habe keins.«
    »Ich habe genug.«
    »Vorräthig liegen?«
    »Einiges. Das Uebrige weiß ich zu nehmen.«
    »Wenn man so an die fünfzigtausend Gulden zusammenbringen könnte!«
    »Ich garantire für noch mehr.«
    »Wirklich?«
    »Ganz gewiß. Das erste aber, wenn ich frei werde, ist, daß ich diesem Fürsten von Befour das Licht ausblase.«
    »Ich helfe mit. Er ist’s, wegen dessen ich hier stecke.«
    »Wissen Sie das?«
    »Ja. Er hat es mir gesagt!«
    »Kommt er denn in’s Gefängniß?«
    »Ja. Er ist bei den Verhören anwesend. Er geberdet sich, als ob er wirklich der Justizminister sei.«
    »Ah, könnte ich hinaus! Der sollte eines zehnfachen Todes sterben. Darauf schwöre ich!«
    »So wollen wir!«
    »Aber wie? Man wird jetzt schrecklich vorsichtig sein.«
    »Das ist wahr. Noch niemals sind solche Maßregeln getroffen worden wie jetzt. Mich aber hält man doch nicht.«
    »Also wie?«
    »Wir müssen sterben.«
    »Dann schleppen sie uns freilich hinaus, Sie Esel!«
    »Na, ich meine sterben zum Scheine.«
    »Ach so! Wie fangen Sie das an?«
    »Wie ich meinen Blutsturz bekommen habe. Ich habe eine sehr kleine, aber auch sehr auserlesene und brauchbare Apotheke mit.«
    »Mit hereingebracht?«
    »Natürlich.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Auch wieder sehr leicht. Ich war schon längst darauf gefaßt, arretirt zu werden –«
    »Und haben gewartet? Welch ein Dummkopf!«
    »Hm! Ich dachte, man würde nichts auf mich bringen können und mich in Folge dessen wieder herauslassen.«
    »Ach so! Sehr kindliche Meinung!«
    »Ich konnte nicht ahnen, daß dieser Fürst von Befour fast alle meine Geheimnisse kennt. Also war ich überzeugt, daß ich nicht lange gefangen sein würde. Dennoch sah ich mich vor, um für alle Fälle vorbereitet zu sein. Ich setzte mir also eine Apotheke zusammen. Mit einem einzigen Medicamente kann man unter Umständen mehr erreichen, als mit aller Gewalt und aller List.«
    »Der alte Giftdoctor! Ja! Wie aber haben Sie denn die Apotheke hereingebracht?«
    »Auf dem Kopfe.«
    »Fast unglaublich!«
    »Und doch sehr leicht. Vor einiger Zeit bildete sich bei mir eine Platte, ein umschriebener Kahlkopf. Ich ließ mir eine runde Haartour machen, welche diese Stelle vollständig bedeckt und von dem echten Haar gar nicht zu unterscheiden ist. Unter diesen falschen Haaren nun steckt meine Apotheke.«
    »Etwa Flaschen und Büchsen!«
    »Dummheit! Geben Sie mir eine Retorte, und ich concentrire das Weltmeer zu einem einzigen Tropfen. Meine Medicamente nehmen kaum den Raum eines Punktes weg, den Sie mit der Spitze Ihrer Feder auf Papier machen, und doch wirken sie mit der Gewalt des Blitzes oder einer Kanonenkugel.«
    »Ich kenne Ihre Kunst und zolle ihr alle meine Bewunderung. Sagen Sie nur, auf welche Weise sie uns diese verdammten Thüren öffnen soll!«
    »Dadurch, daß wir, wie ich bereits sagte, scheinbar sterben.«
    »Um nicht wieder aufzuwachen.«
    »Trauen Sie mir nichts Besseres zu?«
    »Hm! Gefährlich ist es doch!«
    »Noch gefährlicher ist das Hierbleiben.«
    »Das ist freilich wahr.«
    »Ich zwinge Sie übrigens gar nicht. Ich biete Ihnen meine Hilfe an. Gehen Sie mit, dann gut; wir können einander nützen. Bleiben Sie, so gehe ich allein und habe doch nur riskirt, daß Sie mich verrathen.«
    »Nun und nimmermehr!«
    »Ich traue es Ihnen auch nicht zu. Wissen Sie, wie die Leichen der Verstorbenen behandelt werden?«
    »Ja. Man läßt sie eine Nacht in der Zelle oder auf der Station. Am nächsten Tage werden sie mittelst Siechkorbes nach dem

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