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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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muß die Strickleiter halten?«
    »Sie hätten eben das Geschick und die Kraft, mich zu halten! Die Leiter wird am Balken befestigt. Wir müssen Beide hinab. Einer allein bringt den Stein nicht heraus.«
    »Welcher Stein?«
    »Das ist nämlich so: Der Schacht ist nur noch ungefähr gegen vierzig Fuß tief; bis so hoch aber ist er zugeschüttet. Mein Bruder, Gott habe ihn selig, ist mit seinem Sohne hinuntergeklettert und hat da unten einen kleinen Seitengang ausgegraben, ungefähr zehn Fuß lang. Der Eingang in denselben ist nur so groß, daß gerade ein Mensch hineinzukriechen vermag, und ist mit einem schweren Steine verschlossen. Dieser aber hat ein solches Gewicht, daß nur zwei Personen ihn zu entfernen vermögen. Also müssen Sie auch mit hinab.«
    »Und in diesem kleinen Seitengange steckt das Geld, welches Sie suchen?«
    »Ja. Geld und allerhand Waaren, welche keinen großen Raum einnehmen.«
    »Verdammte Geschichte! Da hinab! Es hat mich stets vor Bergwerken gegraust. Das Wort Schacht hat stets einen Beigeschmack von Hölle für mich gehabt. Da lobe ich mir doch das Licht des hellen Tages!«
    »Aber gerade dieses müssen wir jetzt scheuen. Kommen Sie!«
    »Gut! Wenn es sein muß. Dann aber, wenn wir hier fertig sind, gehen wir direct über die Grenze.«
    »Wenn es möglich ist, ja.«
    Sie traten in das Häuschen. Man hörte die Stimme Seidelmann’s, welcher warnend sagte:
    »Treten Sie ja nicht zu weit vor! Das Mundloch ist offen. Wenn Sie hinabstürzen, sind Sie verloren. Machen Sie die Thür zu, damit Niemand das Licht bemerken kann.«
    Jetzt flüsterte der Förster seinem Gefährten zu:
    »Kriechen wir jetzt zum Gebäude hin, aber leise, so daß sie es nicht hören. Wir müssen sehen, was sie machen. Die alten Bretter sind morsch. Es giebt Löcher und Ritzen genug, durch welche wir hineinsehen können. Sollten sie aber unerwartet wieder heraus kommen, dann müssen wir augenblicklich in das Gebüsch zurück.«
    Indem sie also leise vorwärts krochen, hörten sie das Anstreichen eines Zündholzes und zwischen den von der Witterung auseinander getriebenen Brettern der Holzwand sah man den Lichtschein der angebrannten Laterne. Zugleich hörte man den Apotheker sagen:»Das ist ein Schachtloch. Ein wirklicher Eingang in die Unterwelt. Wären wir nur erst wieder heraus!«
    »Fürchten Sie sich wirklich?«
    »Offen gestanden, ja.«
    »Auch mir ist es unheimlich. Aber wir müssen eben doch hinab. Uebrigens ist es eigenthümlich, uns zu fürchten, nachdem wir bereits in der Unterwelt gewesen sind.«
    »Wieso denn?«
    »Na, waren wir denn nicht todt?«
    »Ach so! Ja, das war ein Geniestreich, wie ihn so leicht Keiner wieder ausführt. Was mögen die Herren gesagt haben, als die Todten verschwunden waren!«
    »Ihr Anblick muß köstlich gewesen sein. Geben Sie jetzt die Strickleiter her!«
    Der Apotheker hatte die Leiter getragen. Sie war aus festen, starken, hanfenen Leinen gefertigt, haltbar, aber nicht kunstgerecht, so daß leicht zu erkennen war, daß die Beiden selbst die Verfertiger seien.
    »Hier ist ein Balken,« meinte der fromme Schuster, »an welchem wir sie befestigen.«
    Die Lauscher sahen, daß er die Leiter mit großer Sorgfalt festband und dann mit aller Kraft daran zog, um ihre Festigkeit zu prüfen; dann ließ er sie langsam in das Schachtloch hinabgleiten.
    »Jetzt hinab,« meinte er dann. »Ich steige voran.«
    »Und ich warte, bis Sie unten sind, ehe ich nachkomme.«
    »Da würden Sie nichts sehen können, weil ich die Laterne mitnehme. Sie müssen also gleich hinter mir her!«
    »Hält die Leiter uns Beide?«
    »Ganz sicher.«
    »Alle Teufel! Wenn sie reißen sollte!«
    »Das thut sie nicht.«
    »Aber möglich ist es doch! Schrecklicher Gedanke! Wir stäken denn mit der Leiter unten und könnten nicht herauf. Wir müßten elend verhungern, verdursten und verschmachten, langsam zwar aber sicher.«
    »Jammern Sie nicht! Jetzt heißt es, hinab. Wenn Sie oben bleiben wollen, so bleiben Sie; aber Sie können dann eben nichts bekommen!«
    »Verfluchte Geschichte! Na, so steigen Sie; ich komme sogleich nach. Unkraut geht nicht so schnell zu Grunde!«
    Sie verschwanden im Loche, erst Seidelmann und dann hinter ihm der Apotheker.
    »Was thun nun wir?« flüsterte Wilhelmi dem Förster zu.
    »Wir könnten Vielerlei thun,« antwortete dieser. »Denken Sie sich den Schreck für sie, wenn ich jetzt die Strickleiter oben durchschnitte!«
    »Sapperment, ja!«
    »Wir hätten sie ganz sicher und könnten sie

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