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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schönen Geschlechte verkehrt, zuweilen in die Lage kommt, ein Parfüm zu gebrauchen.
    Nach einer Weile seufzte sie tief auf und sagte:
    »Jetzt wird mir wohler. Es war nur der Schreck.«
    »Aber ein großer Schreck.«
    »Ja. Dieses fürchterliche Mädchen!«
    »Ein grausiges Geschöpf! Ich darf nicht daran denken, daß ihre Absicht hätte gelingen können.«
    »Mein Gott! Schweigen Sie! Bitte!«
    Der Wagen hielt vor der Thür. Als Fanny ausstieg, fühlte sie sich noch so angegriffen, daß sie bat:
    »Bitte führen Sie mich, Herr Bertram!«
    Oben angekommen, wollte er sie der Zofe übergeben und sich empfehlen. Sie aber sagte:
    »Ich kann unmöglich zur Ruhe gehen und die Eltern werden noch nicht kommen. Bitte, bleiben Sie da! Ich möchte nicht so allein sein. Entschuldigen Sie aber einen Augenblick!«
    Er trat in das Familienzimmer und wartete. Als sie dann kam, hatten ihre Wangen wieder den farbigen Ton erhalten, welcher ihr so außerordentlich gut stand. Sie lächelte und sagte: »Jetzt werden Sie mich für ein recht schwachnerviges Persönchen halten, Herr Bertram?«
    »O nein. Das Ereigniß war ein solches, daß auch eine sehr starknervige Dame erschrocken wäre. Und daß Sie Muth besitzen, weiß ich ja bereits.«
    »Woher?«
    »Damals, als ich den Riesen Bormann bei Ihnen traf, haben Sie es bewiesen.«
    »Dadurch erinnern Sie mich, daß Sie zweimal mein Retter gewesen sind. Heute wieder!«
    »O, bitte!«
    »Wollen Sie es vielleicht nicht zugeben? Wer hat denn den Arm mit der Säure zurückgehalten? Sie! Wären Sie nicht gewesen, so wäre ich jetzt verstümmelt und ein Gräuel Aller, welche später ihre Blicke auf mich richteten. Sie sehen also, wieviel Dank ich Ihnen schulde. War das nicht dieselbe Person, welche damals mein Pferd scheu machte?«
    »Ja.«
    »Und welche sich am Kirchhof bei der Beerdigung Ihres Pflegevaters so feindselig gegen mich zeigte. Sie muß einen fürchterlichen Haß gegen mich hegen. Und ich habe ihr doch gar nichts zu leid gethan! Kennen Sie das Mädchen seit längerer Zeit?«
    »O nein. Es war kurz vor Weihnachten, als ich sie zum ersten Male sah.«
    »Da ist Ihre Bekanntschaft wohl eine nähere gewesen?«
    »Ganz gewiß nicht!« betheuerte er eifrig.
    »Sie tritt aber grad so auf, als wenn sie gewisse Rechnung auf Ihre Person hätte.«
    »Sie hat nicht das mindeste Recht. Wenn ich aufrichtig sein dürfte, würden Sie mir das glauben.«
    »Bitte, seien Sie aufrichtig!«
    »Ja, ich will es sein. Sie kennen meine Schicksale. Sie wissen, daß ich arm bin und früher noch ärmer war, und so darf ich von jener Zeit sprechen, obgleich es mir schwer fällt, zu gestehen, weshalb ich zu jenem Juden ging.«
    Er erzählte von der Lage, in welcher sich die Familie seines Pflegevaters befunden hatte, von der Krankheit desselben, vom Hunger, vom Auftreten des frommen Schusters, von der Täuschung, welche seine Stiefschwester Marie mit ihrer Stickarbeit erfahren hatte. Er sagte, daß er zu dem Juden gegangen sei, um seine einzige Habe, die Kette, zu versetzen, und daß dessen Tochter da ein so eigenthümliches Interesse für ihn gefaßt habe. Er schilderte weiter und weiter, und als er damit geendet hatte, fügte er hinzu: »Jetzt habe ich aufrichtig Alles erzählt selbst auf die Gefahr hin, daß Sie mir nun Ihre Theilnahme entziehen werden.«
    »Entziehen? Warum sollte ich das?«
    »Der arme Schlucker! Der zum Juden geht, um zu versetzen!«
    Sie schüttelte das schöne Köpfchen und sagte:
    »Ich habe mich gar sehr in Ihnen getäuscht!«
    »Nicht wahr!« sagte er betrübt, weil er sie nicht verstand.
    »Ja, sehr getäuscht habe ich mich, denn ich dachte stets, daß Sie mich kennen.«
    »Das thue ich ja!«
    »Nein, das thun Sie eben nicht. Sie kennen mich nicht, sonst würden Sie nicht glauben, daß ich jetzt auf einmal weniger gut von Ihnen denke als vorher. Was Sie gethan haben, das erniedigt Sie nicht, sondern es zeugt von Ihrem Edelmuthe. Ich würde Sie jetzt nur noch höher achten als vorher, wenn das überhaupt möglich wäre. Aber sagen Sie, ist diese Judith denn wirklich so schön?«
    »Ja.«
    »Also auch Sie bewundern sie!«
    »Ja, ich bewundere sie,« sagte er aufrichtig.
    Das hatte sie nun freilich nicht erwartet. Sie blickte ganz erstaunt auf ihn und sagte:
    »Jetzt sind Sie allerdings viel aufrichtiger als ich Sie mir gedacht habe! Sie bewundern sie wirklich!«
    »Ja. Warum sollte ich nicht? Wenn ich nach Ägypten reise und vor den Pyramiden stehe, so bewundere ich sie. Ich denke, daß

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