Der verlorne Sohn
und auch nicht gezwungen werden konnte, seinen Vater zu verrathen. Sein Schicksal braucht Sie nicht zu beunruhigen. Es steht zu erwarten, daß er fast ganz straflos ausgeht.«
Der Alte seufzte tief und erleichtert auf, warf einen dankbaren Blick auf den Sprecher und sagte: »Ihre Worte sind mir die größte Wohlthat in meinem selbstverschuldeten Unglücke. Wem ich diese Milde eigentlich verdanke, das weiß ich. Ich habe Herrn Brandt in’s Unglück gebracht, darum rettete ich ihn während des Transportes. Das will er mir nicht vergessen, mir alten Hallunken. Er hat als Fürst des Elendes mehrere Male den Versuch gemacht, mich zu retten, ich bin aber immer wieder in’s Unglück hineingetölpelt. Ich weiß, daß ich nicht mehr lange leben werde. Ich fühle es deutlich. Sollte ich noch hier bei Ihnen sterben, so grüßen Sie mir meinen Sohn und bringen Sie ihm meine letzte Bitte, daß er fortan als ehrlicher Mensch leben möge! Und nun zuletzt die Frage: Werde ich denn nicht einmal dem Hauptmann gegenübergestellt?«
»Das soll eben jetzt geschehen. Fürchten Sie sich vielleicht vor ihm?«
»Ich? Vor ihm? Ah! Fürchtet sich der Teufel vor dem Beelzebub? Er mag kommen!«
Der Untersuchungsrichter klingelte und befahl, den Baron Franz von Helfenstein vorzuführen.
Während der jetzt entstehenden Pause schweifte das Auge des Schmiedes nach den offenen Fenstern hin; seine Lippen preßten sich zusammen und über seine wetterharten Züge ging ein wildes, trotziges Leuchten.
Da trat der Baron ein.
Er sah geschwächt aus, aber auf seinem Gesichte lag ein höhnisches, schadenfrohes Lächeln. Er war gefesselt, und zwar in der Art, daß ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren. Man hatte ihn gewöhnlich vorn gefesselt, aber da hatte er die Möglichkeit, die Arme erheben zu können, zu allerlei Widersetzlichkeiten gebraucht. Seitdem legte man ihm die Hände auf den Rücken.
Er sah den Schmied mit keinem Blicke an, dem Fürsten aber stierte er mit teuflischem Grinsen in’s Gesicht.
»Treten Sie näher!« befahl der Untersuchungsrichter.
Er gehorchte nicht.
»Ich sagte, daß Sie näher treten sollen.«
Er blieb stehen. Da faßte der Beamte nach der Glocke und sagte in drohendem Tone:
»Ich habe Sie ohne Wächter eintreten lassen, um doch auf den Stand, welchem Sie angehörten, möglichst Rücksicht zu nehmen. Gehorchen Sie mir aber nicht, so werde ich von der mir zustehenden Disciplinargewalt Gebrauch machen. Ich rufe den Wächter und lassen Ihnen bei jeder Weigerung, mir Gehorsam zu leisten, einige Hiebe aufzählen.«
»Wagen Sie es« knirschte er.
»Pah! Ich wage nichts. Ich habe das Recht dazu.«
»Denken Sie, ich wisse nicht, daß das verboten ist.«
»Im Allgemeinen, ja. Ihr Verhalten aber hat mich veranlaßt, höheren Ortes um Instruction und Vollmacht zu bitten. Ich darf Sie prügeln lassen, so oft es mir gefällt. Treten Sie näher!«
Jetzt trat er hart an den Tisch heran.
»Ich habe Sie heute nur über den verschwundenen kleinen Robert von Helfenstein zu vernehmen. Sie haben bisher geleugnet. Sind Sie vielleicht bereit, der Wahrheit die Ehre zu geben?«
»Ja; das habe ich bereits gethan. Ich habe die Wahrheit gesagt. Erfindungen und Lügen können Sie nicht verlangen.«
»Nun gut. Hier steht der Schmied Wolf als Zeuge und Mitschuldiger. Ich werde Ihnen vorlesen, was er als offenes Geständniß hier niedergelegt hat.«
»Ich brauche nichts zu hören. Er erfindet, um mich zu verderben. Warum weiß nur er von dem Raube des Kindes und von der Leiche des Knaben der Botenfrau?«
»O, es giebt noch andere Zeugen!«
»Haha! Wen denn?«
»Zum Beispiel hier, Durchlaucht haben das Grab untersucht und leer gefunden.«
»Pah, dieser Mensch ist mein Specialfeind und lügt nur, um mich auf das Schafot zu bringen. Er hat einen förmlichen Roman gesponnen. Er mag mir Zeugen bringen. Was soll ich da früher alles gethan haben! Bringt mir den Einzigen, der mir gewachsen wäre, nämlich jenen Gustav Brandt, den Mörder! Aber Ihr wißt und findet ihn nicht. Er fürchtet sich, zu kommen, weil er der Schuldige ist.«
»Ah, wenn er nun da wäre?«
»Machen Sie nur mit mir keine Schnurren.«
»Nun wir werden ja sehen.«
Der Beamte nahm das Actenstück zur Hand, um das Protocoll zu verlesen, gab aber vorher dem Fürsten einen von dem Baron unbeachteten Wink. Der Fürst zog sein Taschentuch und legte es an das Gesicht.
Der Baron schenkte dem Vorleser nicht die mindeste Aufmerksamkeit. Dieser fragte, als er
Weitere Kostenlose Bücher