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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geendet hatte: »Was haben Sie dazu zu bemerken?«
    »Erfindung!«
    »Ihre Frau sagt ganz dasselbe aus.«
    »Die ist verrückt und übrigens von dem Fürsten hier bis auf das Wort eindressirt.«
    »Ich habe die auf den Schloßbrand bezüglichen Acten durchgenommen. Die damaligen Aussagen der Schloßbewohner stimmen genau mit dieser hier.«
    »Bringen Sie mir diese Schloßbewohner, nicht aber ihre Aussagen. Ich wiederhole, daß Alles erfunden ist. Gerade die Schuldigen kommen nicht; darum häuft sich scheinbar das Beweismaterial gegen mich. In Beziehung auf das Frühere bleibe ich bei meinem Verlangen, mit Brandt confrontirt zu werden.«
    »Das kann geschehen.«
    »Oho! In Buxtehude oder Dummsdorf! Nicht wahr!« höhnte er lachend.
    »Nein, hier! Da sitzt er ja!«
    Er deutete auf den Fürsten, welcher das Taschentuch langsam vom Gesicht entfernte und sich ebenso langsam und stolz von seinem Sessel erhob. Der Baron starrte ihn an, wie man ein Gespenst anstarren würde.
    »Brandt! Alle Teufel!« rief er.
    »Mörder!« entgegnete der Angeredete.
    »Ah! Brandt und der Fürst von Befour ein und dieselbe Person! Vielleicht auch der Fürst des Elendes!«
    »Allerdings. Ich kam, um Dich zu fangen, Bösewicht, und ich habe Dich!«
    »Oder ich Dich! Habe ich nicht die Hände frei, so habe ich doch die Füße, Du Hund!«
    Er sprang auf den Fürsten zu und holte zu einem fürchterlichen Fußtritte in die Magengegend aus. Der Fürst trat schnell zur Seite, so daß er gar nicht getroffen worden wäre. Aber er hatte die Bewegung nicht nöthig gehabt, denn der Schmied hatte den Baron von hinten an beiden Oberarmen ergriffen.
    Der Untersuchungsrichter griff nach der Glocke, um den Wächter herbeizurufen, aber der alte Wolf sagte: »Bitte, das ist nicht nöthig; ich bändige ihn schon!«
    »So halten Sie ihn fest!«
    »O, ich werde ihn nicht sogleich wieder loslassen. Aber bitte, lassen Sie mich ihm vorerst ein kleines Wörtchen sagen!«
    Und sich an das Ohr des Barons beugend, knirschte er ihm in wildem Grimme zu:
    »Du willst nicht beichten und bekennen. Nun wohl, so sollst Du einen Richter finden, bei dem kein Leugnen gilt! Ich muß sterben. Du hast mich elend gemacht und in den Tod geführt. Wohlan, ich gehe nicht allein. Komm mit.«
    Er hob ihn hoch empor. Ein riesiger Sprung, ein Fluch, ein Schrei, und Beide waren verschwunden.
    »Herrgott!« rief der Richter. »Wer konnte so Etwas denken. Sie müssen zerschmettert sein.«
    Mit diesen Worten sprang er an das Fenster, der Fürst ebenso. Beide blickten hinab. Von allen Seiten liefen unten die Menschen herbei. Man hatte den Schrei gehört und den Vorgang bemerkt. Der alte Schmied lag regungslos unten auf dem Steinpflaster; der Baron aber hatte die Erde nicht erreicht. An dem gerade darunter befindlichen Fenster des ersten Stockwerkes waren eiserne Blumenbrethalter angebracht. An einem derselben hing der Baron mit den gefesselten Händen. Er brüllte wie ein wildes Thier, ob vor Schmerz, das vermochte man jetzt noch nicht zu sagen.
    Der Fürst und der Untersuchungsrichter eilten hinaus und hinab. Es wurde schleunigst eine Leiter geholt, um den Baron von dem Eisen abzulösen. Jetzt zeigte es sich, daß er neuerdings schrecklich verletzt war. Die beiden hinten zusammengebundenen Arme waren hängen geblieben und ihm nach hinten so emporgezogen worden, daß sie vollständig aus den Achseln gedreht waren. Es wurde sogleich nach dem Arzte geschickt. Was den alten Schmied betrifft, so war er erlöst. Er lag mit zerschmettertem Schädel auf dem Pflaster. Der Tod war sofort eingetreten.
    »Ich bin untröstlich, Durchlaucht!« sagte der Untersuchungsrichter.
    »Weshalb denn wohl?«
    »Man wird mir die Schuld beimessen.«
    »O nein! Wer konnte das denken!«
    »Ah, ich kenne Ihr Lächeln! Sie haben es sich gedacht.«
    »So nicht. Daß der Alte den Tod suchte, um seinen Sohn zu retten, der nun Alles auf den Vater schieben kann, das dachte ich mir; aber daß er mit dem Baron von da oben herabspringen würde, davon konnte Niemand eine Ahnung haben.«
    »Das Schlimmste ist die Verletzung des Barons. Er wird unfähig zum Verhör, und so bleibt die Untersuchung eine Ewigkeit ruhen. Vielleicht stirbt er gar!«
    »Ich denke das Gegentheil.«
    »Wieso?«
    »Die Arme ausgedreht, das muß entsetzlich sein. Wer weiß, ob sie wieder eingerichtet werden können. Jedenfalls hat er die Schmerzen einer ganzen Hölle auszustehen, und ich hoffe, daß gerade diese Qualen ihn veranlassen werden, der Sache durch ein

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