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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sonnenstrahl. Es gab eine eher herzliche als freundliche Begrüßung, und dann trat der Oberst ein.
    »Aber, Durchlaucht,« scherzte er, »jetzt ist doch von einem Mittagessen, zu welchem Sie geladen sind, noch keine Rede. Es sind noch zwei Stunden bis dahin.«
    »So warten wir. Die Damen werden dafür sorgen, daß wir nicht die Minuten zählen.«
    »So werde ich sogleich auch meine Frau rufen. Die paßt dazu ganz vortrefflich, da sie gar nicht zählen kann.«
    Bald saß man in traulichem Gespräch beisammen. Aber dem Oberst dauerte es zu lange, ehe die Entwicklung begann. Er rückte auf seinem Sitze hin und her und wagte es endlich sogar, den Fürsten zu erinnern: »Durchlaucht, bitte, bitte!«
    »Was, bester Oberst?«
    »Na, thun Sie nur nicht, als ob Sie es nicht wüßten. Ich meine Ihr Versprechen.«
    »Von wegen dem jungen Baron Robert von – – –?«
    »Ja. Aber, bitte, ist Fräulein von Helfenstein in das Geheimniß eingeweiht?«
    »Ja. Ich habe heute morgen die Ehre gehabt, mit ihr zu sprechen. Es handelt sich vorerst aber darum, unsern Herrn Bertram vorzubereiten.«
    Bertram blickte lächelnd zu ihm auf. Der Fürst fuhr fort:
    »Es hat sich nämlich herausgestellt, daß Fräulein Fanny zwei Anbeter hat.«
    Robert nickte sehr vergnügt. Darum fragte der Fürst:
    »Das scheint Ihnen gar nicht sonderbar vorzukommen?«

    »Ganz und gar nicht! Es sollte mich überhaupt wundern, wenn sie nur von Zweien angebetet würde!«
    »Ach so! Ich spreche aber nämlich von zwei bevorzugten Anbetern. Der eine sind nämlich Sie, und der Andere ist ein gewisser Baron Robert von Helfenstein.«
    »O weh!« lachte Robert.
    »Eine Klage? Und dazu lachen Sie?«
    »Ich kenne auch keinen Grund zum Weinen. Er müßte erst später kommen.«
    »Das dürfte sehr leicht möglich sein. Der Herr Oberst wünscht nämlich, daß Fräulein Fanny heute, jetzt zwischen diesen Zweien entscheide.«
    »Ah! Hat das solche Eile?«
    »Aus gewissen Gründen, ja. Sie sind jetzt hier, um Ihr Urtheil zu empfangen. Wollen Sie sich vielleicht an die Dame wenden?«
    Jetzt zwang Robert sich zu einem ernsthaften Gesichte und antwortete dem Fürsten:
    »Ich darf natürlich Herrn von Hellenbach nicht fragen, was ihn zu einem solchen Verhalten drängt, und ebenso wenig möchte ich mir mein Schicksal selbst erfragen. Da überhaupt gesagt worden ist, daß eine Entscheidung stattfinden soll, so ist diese Entscheidung also möglich. Wo aber eine Entscheidung möglich ist, da ist das Herz zwischen Zweien getheilt. Ich aber verlange ein ganzes, volles, ungetheiltes Herz, und darum verzichte ich überhaupt – Fräulein Fanny, heirathen Sie den genannten Baron Robert von Helfenstein!«
    Jetzt blickten die anderen gespannt auf das reizende Mädchen. Diese zuckte wie bedauernd oder gar verächtlich die Achseln und antwortete: »Ich glaube, Herr Bertram, daß Sie sich in mir geirrt haben. Sie sind mir einige Male sehr nützlich gewesen; das giebt Ihnen aber noch lange kein Recht, auf Etwas meinerseits zu rechnen, was mehr als Dankbarkeit sein würde. Sie sind zwar Dichter, aber doch von bürgerlichem Herkommen, während ich mich Baronesse nennen darf und mein Vater überdies Oberst, also Stabsoffizier ist. Die Erwartungen, welche Sie, wie es scheint, bisher gehegt haben, sind mehr als kühn zu nennen und konnten unmöglich in Erfüllung gehen. Wenn also vorhin von einer Wahl die Rede war, so ist dies ein ganz unpassender Ausdruck gewesen. Ich habe nicht zu wählen, wenigstens nicht zwischen Ihnen und einem Anderen. Der Andere steht mit mir auf derselben gesellschaftlichen Stufe, und so versteht es sich ja ganz von selbst, da es seitens meiner Eltern wirklich so dringend gewünscht wird, daß ich die Frau eines Mannes sein soll.«
    Diese Worte erregten allseitige Bestürzung.
    »Fanny!« sagte die Oberstin. »Ich begreife Dich nicht! Das ist ja hart; das ist sogar gefühllos!«
    Und ihr Vater meinte kopfschüttelnd:
    »So habe ich Dich noch nie gesehen. Herr Bertram hat es nicht um Dich und uns verdient, daß Du ihn in dieser Art zurückweist. Man kann doch wenigstens höflich sein!«
    Der Fürst war beinahe zornig geworden. Er bemerkte:
    »Gestern Abend, als ich dort unter der Thür stand, hätte ich nicht geahnt, daß Ihnen solche Worte möglich seien. Ich stehe da vor einem psychologischen Räthsel. Ich hatte allerdings die Absicht Ihnen den Baron von Helfenstein vorzustellen, werde das nun aber nicht thun. Es kann nicht meine Absicht sein, ihn an der Seite eines

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