Der verlorne Sohn
Dein Onkel dazu?«
»Der Kommandirende in Rollenburg? Von dem kommt ja eben jener Fingerzeig! Und dabei bemerkt er, daß es ihn freuen werde, mich nach fünf oder zehn Jahren zum ersten Male wiederzusehen! Und heute erhalte ich von meinem Vater einen Brief oder vielmehr einen Wisch, der mir auch zu denken giebt.«
»Kennt er die Prozeßgeschichte?«
»Weiß nicht. Geschrieben habe ich ihm natürlich kein Wort. Es handelt sich um etwas Anderes, um den leidigen Mammon. Mein Banquier kam auf einmal auf den Gedanken, nicht zu Hause zu sein, wenn ich ihn besuchte.«
»Was? Er verweigert Dir den Credit?«
»Ja, denke Dir!«
»Das ist doch kaum glaublich!«
»Es ist so. Natürlich beschwerte ich mich darüber bei meinem Vater. Als Antwort erhielt ich die Aufforderung, ohne Versäumniß zu ihm zu kommen. Heute Nachmittag dampfe ich ab.«
»Du befindest Dich doch nicht etwa in Verlegenheit?«
Randau machte mit den Fingern die Bewegung des Geldaufzählens.
Hagenau zog beide Schultern empor, machte eine Grimasse dazu und antwortete:
»Meine Passionen haben Geld gekostet.«
»Passionen? Die habe ich doch gar nicht an Dir bemerkt!«
»Ja. Damals hatte ich nur die eine; die andere ist erst später dazugekommen.«
»Darf man sie erfahren?«
»Na, ja. Ich habe ein verdammt weiches Gemüth, ein altes, gutes, dummes Herz. Ich habe viel wohlgethan, im Stillen, ohne daß Jemand es so recht erfahren hat, an Kameraden und an Anderen. Das hat Geld gekostet, viel Geld. Später kam ich gar in’s Spielen. Ich hatte Glück, dann Unglück, viel Unglück.«
»Hm! Ich hörte allerdings davon. Hatte nicht Scharfenberg Dich mit falschen Banknoten bezahlt?«
»Freilich, freilich!«
»Da hattest Du allerdings Verlust!«
»Gar nicht. Der Schurke erschoß sich, und ich mußte vor den Untersuchungsrichter. Du kannst Dir denken, daß dies weder nach meinem Geschmacke, noch zu meinem Vortheile war. Sein Onkel, der Zuchthausdirector, löste zwar sämmtliche Falsificate, welche sein Neffe ausgegeben hatte, ein, und ich kam also zu meinem Gelde, allein es lag kein Segen darauf. Ich verlor und verlor. Ich machte Schulden und verlor immer und immer wieder. Ich spielte, um zu gewinnen und meine Schulden zu bezahlen und dann dieser unseligen Passion für immer zu entsagen; aber ich blieb im Verluste. Mein Bankier gab mir nichts mehr, und mein Vater schickte nichts mehr. Ich schrieb ihm; ich sagte zwar nichts Genaues, aber ich ließ es ihm vermuthen, daß ich in Noth sei. Statt mir Geld zu schicken, ruft er mich zu sich. Ich vermuthe, daß es einige Scenen geben wird.«
»Und dann aber Geld!«
»Hm!« brummte Hagenau nachdenklich. »Ich möchte beinahe befürchten, daß mein Vater plötzlich Ursache erhalten hat, sparsam zu sein. Ein Bankier schickt einen Kunden, wie ich war, nicht ohne Ursache heim.«
»Bitte, sind Deine Gläubiger verständig?«
»Donnerwetter! Verständig! Ja, wenn sie das wären! Diese Blutsauger aber hetzen mich außer Athem. Uebermorgen kommt ein Wechsel – na, ich bat um Verlängerung der Frist, fand den Kerl aber so obstinat, wie ein altes Maulthier. Was nun thun?«
Er schritt zornig im Zimmer auf und ab. Randau folgte lächelnd seinen Bewegungen und sagte:
»Aber, Mensch, hast Du denn keine Freunde?«
»Freunde? Unsinn! Welcher Mensch hat wahre Freunde! Früher pumpte das ganze Regiment von mir jetzt hat keiner einen einzigen Kreuzer für mich.«
»Du siehst zu schwarz.«
»Nein, ich sehe richtig.«
»Denkst aber wenigstens nicht an mich.«
»An Dich? Mann, Edmund, soll ich etwa Dich anpumpen, der niemals von mir gepumpt hat!«
»Ja, das wünsche ich! Grad mich sollst Du anpumpen! Du bist der beste, liebenswürdigste Kamerad gewesen; ich nenne mich Deinen Freund; das thue ich nicht nur aus Lust zur Phrase, sondern in aller Aufrichtigkeit. Kannst Du mir vielleicht sagen, wieviel Du brauchst?«
Da stellte Hagenau sich breitbeinig vor ihn hin und sagte:
»Mensch, bist Du toll?«
»Nein. Ist es eine Tollheit, Dein Freund zu sein?«
»Fast, wenigstens in dieser Beziehung.«
»Nun, so will ich es einmal mit dieser Tollheit versuchen.«
Es legte sich wie eine tiefe Rührung über Hagenau’s unschönes Gesicht. Er streckte ihm beide Hände entgegen und meinte: »Edmund, das werde ich Dir nie vergessen, nie, obgleich es wohl nur bei dem bloßen Versuche bleiben wird.«
»Warum beim Versuche?«
»Ich brauche zu viel.«
»Das wollen wir erst sehen. Welche Summe ist nöthig, um Dich von den Manichäern zu
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