Der verlorne Sohn
sollte.«
»Warum nicht?«
»Weil Du fahnenflüchtig geworden bist.«
»Ich flüchtete ungern, lieber Freund, und gestehe Dir, daß es erst nach innerem Kampfe geschah.«
»Weiß, weiß, Alter! Wolltest heirathen!«
»O nein. Mein Bruder ging zur Marine, und so mußte ich den Dienst quittiren, um nun die Bewirthschaftung unserer Güter übernehmen zu können.«
»Und nebenbei die interessanteste Frau, die es geben kann, heimzuführen! Mensch, was bist Du glücklich! Na, setze Dich. Da stehen Cigarren, und draußen habe ich eine Flasche Extrafeinen, den ich gleich hereinholen will. Entschuldige!«
Er ging in die Nebenstube und bemerkte nicht, daß ihm zwischen Rock und Weste etwas entfiel, was er vorher, als es klopfte, schleunigst dort versteckt hatte. Es war eine Photographie. Randau bückte sich, um sie aufzuheben. Als sein Blick auf das Bild fiel, nahm sein Gesicht den Ausdruck größten Erstaunens an. Er erkannte das Porträt von Hilda Holm, der Schwester des einstigen Reporters.
»Ah!« dachte er. »Er hat das Bild vor mir versteckt; das hat mehr als Gewöhnliches zu bedeuten. Wollen einmal sehen!«
Er zog seine Brieftasche heraus, legte die Photographie hinein und hatte Beides kaum eingesteckt, als Hagenau wieder eintrat.
»So, hier ist sie. Es ahnte mir, daß in diesen Tagen etwas Außergewöhnliches passiren werde. Für diesen Fall hob ich mir die Flasche auf. Jetzt wollen wir sie leer machen.«
»Ist mein Besuch etwas so Außergewöhnliches?«
»Jetzt, ja. Da, prosit! Die Melitta soll leben – Deinetwegen! Und der Teufel soll sie holen – meinetwegen!«
»Hast Du gar so einen Pick auf sie?« fragte Randau, indem er mit ihm anstieß.
»Natürlich! Du freilich hast ihr viel zu verdanken. Mensch, Du bist ein Glückspilz!«
»O bitte!«
»Ja, gewiß, gewiß! Mein damaliger Vorschlag, die Melitta zu besuchen, war famos. Er stammte von mir, war meine eigene Erfindung.«
»Ich bin Dir höchst dankbar dafür!«
»Das glaube ich. Mir aber hat er nichts als Unheil gebracht. Ich wollte Euch die größte Schönheit zeigen, welche ich jemals gesehen hatte. Wer hätte es ahnen können, daß dieses Mädchen später eine Baronesse von Scharfenberg und dann sogar Deine Frau werden könne! Wann ist die Hochzeit?«
»In einigen Wochen. Der Tag ist noch unbestimmt. Natürlich bist Du geladen.«
»Unsinn.«
»Du, der Gründer unseres Glückes! Das versteht sich ja ganz von selbst, Langer!«
»Danke! Danke sehr!«
Er spreizte alle zehn Finger abwehrend aus.
»Aber warum denn?«
»Ich habe damals eine verdammt unrühmliche Rolle gespielt.«
»Deshalb willst Du absagen? Deshalb nur?«
»Natürlich!«
»Ah pah! Du glaubst gar nicht, wie gut meine Braut gegen Dich gesinnt ist. Sie nennt Dich ihren Retter. Ohne Deinen Einfall wäre ich nicht zur Melitta gekommen.«
»Verfluchter Einfall! Ich wollte, ich hätte an alles Andere gedacht, nur nicht an dieses!«
Er machte ein so ernstes Gesicht, daß Randau fragte:
»Ist’s denn noch nicht verwunden?«
»Das kann ich wohl niemals verwinden. Es scheint, als ob es gar kein Ende nehmen sollte. Man nimmt diese Geschichte weiß Gott viel zu streng. Ich muß jämmerlich bluten.«
»Wieso?«
»Na, Du warst ja auch dabei. Hast Du noch keine Vorladung wieder bekommen?«
»Nein.«
»Also nur ich und immer ich. Die dort im Gerichtsamte sind nahe dabei, die Geschichte spruchreif zu machen, und denke Dir, daß man auf den Gedanken gekommen ist, auch mich in Anklage zu setzen.«
»Unmöglich!«
»Ah, Du glaubst gar nicht, was heutzutage Alles möglich ist! Ich habe gewettet; ich bin dieser Dame, nämlich Deiner jetzigen Braut, unanständig begegnet – und so weiter! Es hat mir Mühe gemacht, mich heraus zu winden. Und nun erst die Versetzung in die andere Truppe, und vorgestern erhalte ich unter der Hand den Fingerzeig, womöglich um meinen Abschied einzukommen. Urlaub hat man mir unbeschränkten ertheilt.«
»Das ist freilich schlimm, lieber Freund.«
»Schlimm? Pah, schlimm! Was ist schlimm? Nichts, gar nichts! Es ist teuflisch, satanisch, höllisch! Es giebt gar kein Wort, welches hinreichend wäre, meinen Grimm zu beschreiben, meine Wuth zu schildern.«
»Du mußt Dich eben beruhigen.«
»Na, schließlich bleibt mir nichts Anderes übrig; aber das Unheil ist doch zu stark und zu dick. Man läßt sich wohl gefallen, daß es Tropfen regnet, aber klumpenweise braucht das Wasser doch nicht vom Himmel zu fallen. Den Abschied nehmen! Verflucht!«
»Was sagt
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