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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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befreien«
    »Höre und erschrecke: Ich brauche volle zwölftausend Gulden.«
    »Hm! Das ist freilich nicht unbedeutend.«
    »Da hast Du es!«
    »Bist Du dann wirklich alle Sorgen los?«
    »Alle nicht, aber die meisten und größten.«
    »So erlaube einmal!«
    Er stand auf und zog die Brieftasche hervor. Er öffnete sie, schob die auf dem Tische befindlichen Gegenstände zurück und begann aufzuzählen, Banknote an Banknote, eine neben die andere.
    »So,« sagte er endlich, als er aufhörte. »Das sind fünfzehntausend Gulden. Schaffe Dir die Raben vom Halse und gieb Dich nicht wieder mit ihnen ab.«
    Hagenau’s Augen wanderten vom Freunde auf die Noten, und wieder hin und her. Nach und nach füllten sie sich mit Thränen. Er wischte sie fort und sagte dann: »Ja, das ist Freundschaft! Das ist eine Freundschaft, wie ich sie nicht für möglich gehalten hätte. Ich werde es Dir, wie ich bereits sagte, nie vergessen, obgleich es bei dem Versuche bleiben wird.«
    »Ich hoffe, daß Du das Geld annimmst.«
    »Nein, das thue ich nicht.«
    »Warum aber nicht?«
    »Weil ich kein Schuft sein will, der da borgt, ohne überzeugt zu sein, daß er auch bezahlen kann.«
    »Du kannst bezahlen.«
    »Nein. Laß mich aufrichtig sein! Ich habe –«
    »Pah! Rede nicht, sondern stecke das Geld ein!«
    »Das thue ich nicht, wenigstens nicht, bevor Du mich angehört hast.«
    »Na, so rede meinetwegen!«
    »Ich habe meinen Vater stets für sehr reich gehalten. Aber ich habe in Erfahrung gebracht, daß er ebenso wie ich zwei Passionen hatte. Er ist ein großer Freund von Gemälden, ohne aber Kenner zu sein. Er hat für Gemälde, von denen er überzeugt war, daß sie echt seien, Unsummen ausgegeben. Sodann hat er, ebenso wie ich, hoch gespielt, nicht mit Karten, sondern an der Börse. Er hat viel, sehr viel verloren. Als mein Bankier mir Zahlung verweigerte, machte er mich darauf aufmerksam. Er rieth mir, mit dem Vater einmal genau Bilanz zu ziehen; dann soll ich wiederkommen. Das ist genug gesagt. Ich weiß, woran ich bin, und Du wirst es nun auch wissen.«
    »Ich habe es eher gewußt als Du.«
    »Ah! Wirklich?«
    »Ja. Die theueren Gemälde Deines Vaters sind fast werthlos. Er ist betrogen worden.«
    »Alle Wetter!«
    »Er hat ferner sich sehr verspeculirt. Er hat Chilenen in Masse gekauft und –«
    »Chilenen?« fiel Hagenau ein. »Das sind doch wohl jene unglücklichen Papiere, mit denen Scharfenberg so hereingeflogen ist, wie die Untersuchung ergeben hat?«
    »Ja, dieselben. Dein Vater hat fürchterlich verloren. Euer Bankier ist auch der unserige. Ich ging zu ihm, um diese fünfzehntausend Gulden zu deponiren. Wir hatten die entbehrliche Frucht verkauft und erhielten vorgestern Zahlung. Beim Bankier kam die Rede auch auf Deinen Vater. Der Mann machte mir zwar keine Mittheilung; das verbot ihm ja die Discretion; aber ich merkte doch Einiges. Ich erfuhr, daß Du wiederholt bei ihm gewesen seiest, schloß weiter und gab mein Geld nicht hin, sondern habe es lieber Dir gebracht.«
    »Mensch, Du bist des Teufels!«
    »Das will ich doch nicht befürchten!«
    »Du weißt, daß es schlecht mit uns steht, und kommst gerade darum, um mir so einen Haufen Geldes anzubieten!«
    »Ja, gerade darum. Ich kenne Dich. Du bist ein halber Sonderling, aber ein Ehrenmann. Du wirst keinen Menschen in Verlust bringen. Ich leihe Dir das Geld gegen vier Procent bei jährlicher Kündigung. Deine Verhältnisse werden sich bessern, dann bezahlst Du mich.«
    Hagenau holte tief, tief Athem.
    »Bedenke, daß ich meinen Abschied nehmen muß!«
    »Das eben bedenke ich. Bliebst Du bei der Fahne, so wäre es Dir unmöglich, auch nur die Zinsen zu bezahlen. Nun Du aber ausscheidest, wirst Du Deinem Vater helfen, Eure Verhältnisse aufzubessern. Auf diese Weise kann ich überzeugt sein, viel eher zu meinem Gelde zu kommen. Ich hoffe, Du nimmst es!«
    »Ah! Du bringst mich wirklich in eine Versuchung, der ich kaum zu widerstehen vermag. Was wird Dein Vater sagen, wenn er es erfährt?«
    »Da sorge Dich nicht! Er wird es billigen.«
    »Meinst Du?«
    »Ich versichere es Dir mit meinem Ehrenworte. Also streiche nur getrost ein!«
    Da drückte Hagenau ihn an sich und rief:
    »Edmund, der Teufel soll mich holen, wenn ich nicht alles Mögliche thue, um Dir dankbar zu sein! Ja, ich will das Geld nehmen. Ich habe zu leicht gelebt, weil ich mich für reich hielt; aber lüderlich bin ich nicht. Wenn es gilt, so kann ich arbeiten, und das werde ich thun, und sollte mir das Blut von

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