Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
mir vorüber wollte, stockte ihr kleines Füßchen; sie sah mir neugierig und allerliebst freundlich in das Gesicht, erröthete, schlug die Augen nieder und ging dann weiter. Das frappirte mich natürlich.«
    »Ist sie hübsch?«
    »Wie eine – – hm! Wenn ich Maler wäre, sie müßte mir zur Psyche sitzen.«
    Randau lächelte. Er wußte ja, daß Hilda bei dem Balletmeister einmal fast gezwungen worden wäre, als Psyche Modell zu sitzen. Er sagte nichts und fragte weiter:»Wie alt?«
    »Leider sehr jung. Vielleicht achtzehn.«
    »Blond?«
    »So mittelblond, schlank aber voll. Sie läßt ahnen, daß sie sich in einigen Jahren zu einer wirklichen Schönheit entwickelt haben wird.«
    »Du hast sie natürlich wieder gesehen?«
    »Wie kannst Du nur fragen! Ich war sofort weg, und wer weg ist, der rennt ja nur immer hinter Derjenigen her, welche Diejenige ist. Du hast das jedenfalls auch an Dir erlebt?«
    »So ziemlich.«
    »Na also! Kurz und gut, als sie vor mir stehen blieb und mich so eigenthümlich und erröthend anblickte, da war es mir wie – wie – Donnerwetter, wie doch nur gleich?«
    »Als hättest Du Klöse mit Sauerbraten gegessen?«
    »Unsinn! Es gab mir so einen Stich – einen Stich – – hm, ja, einen Stich gab es mir.«
    »Wo denn?«
    »Das kann ich eigentlich nicht sagen; er schien durch und durch zu gehen, that aber keineswegs wehe.«
    »Das war Amors Pfeil.«
    »Amors Pfeil? Du, ja! Sapperment, das ist der richtige Ausdruck! Und der Pfeil sitzt tief und fest.«
    »Trotz der Schusterstochter?«
    »Trotzdem. Natürlich machte ich Kehrt und folgte ihr.«
    »Richtig! Ganz wie Schiller sagt: Erröthend folgt er ihren Spuren.«
    »Nun, erröthend zwar nicht, sondern recht neugierig. Ich mußte wissen, wer sie war.«
    »Du hast es erfahren?«
    »Hols der Teufel, nein.«
    »Na, na, na, na! Wer soll das glauben!«
    »Es ist wahr. Ich sah, daß sie in das Hotel Union ging. Ich will Dir gestehen, daß ich dann drei Viertelstunden lang Pflaster gestampft habe; aber sie kam nicht wieder heraus.«
    »O weh!«
    »Ja, ich habe auch das Blaue vom Himmel herunter geflucht, ohne daß es etwas half. Länger konnte ich nicht da vor der Thür auf-und ablaufen; das wäre ja aufgefallen. Ich mußte also leider fort.«
    »Da hieß es: Meine Ruhe ist hin, mein Herz ist so schwer, ich finde sie nimmer und nimmermehr.«
    »So war es allerdings. Sie hatte es mir angethan. Ich sage Dir, ich war wie verhext. Ich hätte singen und zwitschern können wie eine Haidelerche, aber auch raisoniren wie ein Rohrspatz, daß sie nicht wieder herausgekommen war. Es war mir, ab ob ich das große Loos gewonnen habe, und im nächsten Augenblicke hätte ich wetten können, als ob die größte Niete gerade nur auf mich gefallen sei. Die Liebe ist ein verrücktes, aber auch ein höchst angenehmes Ding. Ich bin hier auf der Stube auf-und abgelaufen wie ein Bieresel und habe nur immer mit mir selbst gesprochen. Im Schlafe habe ich dann natürlich von ihr geträumt, und als ich am anderen Morgen aufstand, habe ich die Hosen als Unterjacke angezogen und bin mit dem rechten Fuße in den linken Stiefel gefahren. Hältst Du so etwas für möglich?«
    »O, sehr,« lachte Randau.
    »Dann ist es Dir also auch so gegangen?«
    »Genau so!«
    »Gott sei Dank! Ich dachte schon, ich sei eine außerordentliche anthropologische Abnormität und hatte schon Angst, daß der erste beste Raritätensammler auf den Gedanken kommen könne, mich in Spiritus zu setzen und für Geld sehen zu lassen. Denn, denke Dir, was weiter passirte! Du wirst es kaum glauben!«
    »O, ich glaube es! Ich errathe es sogar.«
    »Nun, was denn?«
    »Du befandest Dich natürlich am nächsten Tage zu derselben Secunde auf derselben Straße ganz und auf derselben Stelle.«
    »Bei Gott, der Mensch hat es errathen!«
    »Hm! Ich kenne das!«
    »Ist es nicht verrückt?«
    »Nein. Was glücklich macht, kann nicht verrückt sein. Doch sage: Kam sie denn?«
    »Freilich.«
    »Dachte es mir!«
    »Ich war so neugierig, ob sie kommen werde, wie ich es in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen bin. Ich glaube gar, daß ich ein gelindes Fieber hatte.«
    »Einer Schusterstochter wegen!«
    »Ja, es ist eigentlich himmelschreiend. Aber wer kann es ändern? Ich nicht!«
    »Was thatet Ihr denn?«
    »Sie erröthete schon von Weitem, ging aber an mir vorüber, ohne mich dieses Mal anzusehen.«
    »Und Du?«
    »Ich schwenkte natürlich wieder um, lief ihr bis in’s Hotel Union nach, stampfte da über eine Stunde

Weitere Kostenlose Bücher