Der verlorne Sohn
haben.«
»Sie ist prächtig, sage ich Dir!«
»Hast Du sie gesehen?«
»Erst gestern wieder.«
»Und steinreich!«
»Der Kerl ist ein Krösus. Und denke Dir, daß er jetzt die ganze Baronie Helfenstein erbt.«
»Wieso?«
»Der Stamm hat den Namen Tannenstein geführt; so heißt ja auch das Dorf, bei welchem Schloß Hirschenau liegt. Später hat sich eine jüngere Linie unter dem Namen Helfenstein abgezweigt. Diese Linie stirbt jetzt aus und all ihre Besitzthümer fallen natürlich nun dem Tannensteiner zu.«
»Das wäre abzuwarten!«
»Darüber giebt es gar keinen Zweifel.«
»Noch lebt Franz von Helfenstein!«
»Er verfällt ganz bestimmt dem Henker.«
»So ist Alma von Helfenstein da!«
»Das ändert nichts. Sie wird einfach hinausbezahlt.«
»Und ferner munkelt man so allerlei von – –«
»Was munkelt man?«
»Daß ein verlorener Sohn vorhanden sei.«
»Unsinn! Der Junge ist seinerzeit verbrannt. Ich habe gestern mit dem Tannensteiner gesprochen und Alles glatt gemacht. Du brauchst nur zuzugreifen.«
»Was sagte die Tochter?«
»Sie ist einverstanden.«
»Ohne mich zu kennen!«
»Sie sah Dich früher, und außerdem nahm ich ihr Deine Photographie mit. Du schienst ihr ganz gut zu gefallen.«
»Freut mich ungeheuer. Du wirst einsehen, daß ich sie mir doch einmal in Augenschein nehmen möchte, ehe ich eine Entscheidung treffe.«
»Meinetwegen, obgleich eine Entscheidung gar nicht zu treffen ist. Wir brauchen Geld, der Tannensteiner giebt es, und seine Tochter ist eine wahre Juno an Schönheit.«
»Du machst mich wirklich neugierig. Wann könnte ich sie wohl zu sehen bekommen?«
»Drüber in Grünbach, wo sie sich jetzt aufhalten.«
»Lieber möchte ich da gleich noch heute hinüber.«
»Das geht nicht. Der Tannensteiner ist nämlich heute hinauf nach Schloß Hirschenau, um seine Ansprüche geltend zu machen, und kommt erst morgen zurück!«
»So muß ich bis morgen warten.«
»Ich betrachte die Angelegenheit als erledigt. Du heirathest die schöne Theodolinde, und wir bleiben im Besitze unserer sämmtlichen Güter. Am schwersten hätte mich der Verlust unseres schönen Reitzenhain getroffen. Seit wir die Mineralquelle entdeckt und analysirt haben, geht dieser Ort einer Zukunft entgegen.«
»Die Hauptsache wären eclatante Kuren.«
»Die können wir nachweisen. Da ist zum Beispiel ein Herr Holm, früherer Musikdirector, vom Schlage gelähmt und von seinem Arzte so weit hergestellt, daß er nach Reitzenhain transportirt werden konnte. Kaum vierzehn Tage hier, ist er bereits beweglich wie eine Lachsforelle.«
»Kennst Du ihn persönlich?«
»Ja. Ich spreche gern mit ihm. Er ist ein sehr unterrichteter Mann. Er sitzt gegen Abend vor der Thür. Ich pflege vorüber zu gehen und mich da einige Zeit bei ihm zu verweilen.«
»Er hat eine Tochter?«
»Ja. Kennst Du sie etwa?«
»Randau kennt sie. Von ihm soll ich sie grüßen.«
»Das wirst Du gern besorgen, denn sie ist ein sehr reizendes Mädchen. Sie wird sich zur wirklichen Schönheit entfalten. Schade, daß sie nicht reich und vom Adel ist. Ich würde sie dann sogar dieser Theodolinde vorziehen.«
»Du machst mich gespannt!«
»Und ich warne Dich. Nimm Dich in Acht vor ihren Augen. Da liegt eine ganze Welt von Reinheit, Unschuld und Naivetät darin. Sie ist wirklich gefährlich.«
»Wann könnte man sie sehen?«
»Es ist grad die Zeit, in welcher ich meine Promenade zu machen pflege. Wärst Du nicht ermüdet, so könntest Du mitgehen.«
»Ah, keine Spur von Müdigkeit.«
»Aber essen doch!«
»Wenn wir zurückkehren.«
Sie promenirten vom Schlosse aus durch den Wald, über die Wiesen und dann in das Dorf. Bei einem der letzten Häuser bogen sie um die Ecke desselben und standen da auch sofort vor einem Manne, welcher neben der Thür auf einer Bank saß. Neben ihm sitzend erblickte der Offizier seine schöne Reisegefährtin.
Bei dem Anblicke der beiden Männer erhob sie sich, leicht erröthend, aber keineswegs verlegen.
»Ah, da sind Herr und Fräulein Holm!« sagte der alte Hagenau. »Erlauben Sie mir, Ihnen meinen Sohn vorzustellen, welcher heute hier angekommen ist!«
Der Offizier stand ganz unbeweglich vor Erstaunen.
»Was hast Du?« fragte sein Vater.
»Fräulein Holm ist das?«
»Ja.«
»Also nicht die Schu – Schu – –«
»Schusterstochter!« fiel Hilda ein, indem sie ihm die Hand zum Gruße entgegenstreckte.
»Aber Fräulein,« sagte er in vorwurfsvollem Tone, »da haben Sie mich getäuscht!«
»Ich? O
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