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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Geschehene niemals ändern, unter Umständen aber es vielleicht wieder gutmachen; durch Heulen und Klagen aber ist dies nicht möglich. Also sehen wir dem Dinge offen in das Gesicht. Wenn wir noch ein halbes Jahr in der jetzigen Weise fortleben, sind wir bankerott!«
    Er sagte dies ohne Leidenschaft und strich dabei ruhig die Asche von der Cigarre.
    »In sechs Monaten,« meinte der Sohn nachdenklich.
    »Ja, dann sind wir vollständig fertig.«
    »Das ist schlimmer, als ich dachte.«
    »Wie dachtest Du Dir die Angelegenheit?«
    »Ich hielt einfach unsere Activen für bedeutender. Wenn Du von sechs Monaten sprichst, so beträgt unser activer Besitz also nicht mehr als eine Summe, welche wir bisher in einem halben Jahr zu verbrauchen pflegten.«
    »So meine ich es.«
    »Das ist verdammt wenig. Ich glaubte Deinen Schrank voller Papiere – Deine Gemälde – –«
    »Ah pah! Meine Gemälde taugen nichts; ich bin von einer ganz infam organisirten Bande scheußlich betrogen worden. Ich glaubte, ein Kenner zu sein, und sehe nun zu spät ein, daß ich nichts als ein Esel gewesen bin. Es sind Hunderttausende hinausgeworfen worden. Und meine Papiere? Ich habe speculirt und dabei nichts gewonnen als die Ueberzeugung, daß ich Alles hinauswarf, mein Bankier aber Alles für sich auflas. Wir haben also
Tabula rasa
. Wie steht es nun mit Dir?«
    Der Sohn zuckte die Achseln.
    »Schulden natürlich!« meinte der Vater.
    »Ich befand mich in schlimmer Verlegenheit, bis Randau mir heute unaufgefordert fünfzehntausend Gulden lieh.«
    »Braver Kerl! Er soll sie bald zurückerhalten!«
    Der Vater kam gar nicht auf den Gedanken, einen Tadel gegen den Sohn hören zu lassen. Dieser Letztere horchte auf und fragte: »Bald zurück? Wovon denn? Du sprachst ja von
Tabula rasa

    »Geld muß werden, mein lieber Walther; ist’s nicht auf die eine, so ist’s doch auf die andere Weise. Laß uns nur erst noch von Dir sprechen. Da schreibt mir mein Bruder aus Rollenburg einige Zeilen. Hast Du vielleicht eine Ahnung, welchen Gegenstand es betrifft?«
    »Ich kann es mir denken.«
    »Du bist unvorsichtig gewesen!«
    »Leider! Wohl aber nicht in der Weise, wie er es vielleicht schildert.«
    »Er ist allerdings ein wenig überschwenglich. Er erzählt da von einer gewissen Melitta – –?«
    »Pah! Wir tranken einige Flaschen Wein bei ihr; aber sonst ist nichts geschehen.«
    »Sodann von gewissen gefälschten Banknoten –?«
    »Ich habe sie nicht gefälscht!«
    »Sie aber im Spiele gewonnen. Du sollst überhaupt in letzter Zeit ein großer Freund dieser Unterhaltung gewesen sein.«
    »Nicht mehr als jeder Andere auch. Ich spiele nicht leidenschaftlich; ich bin im Stande, dieser Passion zu jeder Zeit und ohne alle Mühe zu entsagen.«
    »Das freut mich! Also Du weißt, über welche Mittel wir noch gebieten. Man hat angefangen, uns in die Fensterscheiben zu blicken. Es sind mir zwei Hypotheken gekündigt. Zahle ich nicht, so folgen die anderen Gläubiger nach, und wir sind ruinirt. Ich muß binnen jetzt und zwei Monaten baare hunderttausend Gulden schaffen.«
    »Höchst angenehm!«
    »Lassen wir allen Sarkasmus. Die Sache ist wirklich sehr ernst. Kannst Du dieses Geld schaffen?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.«
    »So sind wir eben bankerott!«
    »Oho! ein Hagenau macht nicht bankerott. Für ihn, als den Träger eines so wohlklingenden Namens, giebt es stets ein Mittel, in der angegebenen Zeit lumpige hunderttausend Gulden zu schaffen.«
    »Du meinst die Heirath?«
    »Ja.«
    Der Sohn lachte beinahe lustig auf und fragte:
    »Wer soll sich dazu bequemen? Du oder ich?«
    »Natürlich Du!«
    »Sieh mich an! Was giebt es so Schönes an mir?«
    »Du bist ein Hagenau, das ist genug.«
    »Hast Du Dich vielleicht bereits unter den Töchtern des Landes umgesehen?«
    »Natürlich. Ich pflege, wie Du ja weißt, in allen Dingen methodisch zu verfahren.«
    »Und Eine gefunden?«
    »Ohne Mühe.«
    »Mit diesen Hunderttausend?«
    »Mit noch mehr.«
    »So bin ich begierig, die Herrliche kennen zu lernen.«
    »Du kennst sie bereits, wenigstens hast Du sie früher gekannt, wenn Du ihr auch während der letzten Jahre nicht wieder nahe getreten bist.«
    »Wer ist es?«
    »Theodolinde.«
    »Donnerwetter!« rief Walther.
    »Was sagst Du dazu?«
    »Es giebt meines Wissens nur eine Theodolinde; das ist Fräulein Theodolinde von Tannenstein.«
    »Diese meine ich.«
    »Sapperment! Sollte die wirklich anbeißen?«
    »Gewiß.«
    »Sie soll sich zu einer Schönheit entwickelt

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