Der verlorne Sohn
einstweilen nicht mit Dank hinnehmen. Doch, hören Sie weiter! Die Schmiede waren die Verbündeten Ihres Cousins. Die alte Wirthschafterin des Letzteren entsinnt sich jener Zeit noch sehr genau. Von ihr erfuhr ich, daß die Zofe Ella am Tage vor Brandt’s Verurtheilung bei Franz von Helfenstein gewesen sei. Ebenso erfuhr ich, daß der Letztere einen Tag vorher von den Schmieden besucht wurde. Da haben sie ihren Packt mit ihm gemacht. Das sieht man heute. Sie sind reiche Leute geworden. Aber ich werde sie zu fassen wissen.«
»Ich hoffe es! Aber wollten Sie nicht von meinem Brüderchen sprechen, Durchlaucht?«
»Gewiß. Unsere Wege sind eben so verschlungen, daß wir sehr viel von der geraden Richtung abweichen müssen. Können Sie sich auf den Tag des Schloßbrandes besinnen?«
»Sehr genau. Es war derselbe Tag, an welchem unser Gustav Brandt verurtheilt wurde.«
»Das stimmt. Nehmen wir getrost an, daß das Knäblein ermordet werden sollte. Die Beiden, in deren Interesse dies geschah, waren am Tage in der Residenz gewesen und am Abende zurückgekehrt, also anwesend, aber ich glaube trotzdem nicht, daß der Baron selbst oder Ella Hand an das Kind gelegt haben. Ich habe vielmehr Verdacht auf ihre Verbündeten, die beiden Schmiede.«
»Haben Sie Veranlassung dazu?«
»Ja. Ich kam nämlich auf höchst eigenthümliche Weise auf meine Gedanken. Können Sie sich noch auf den Todtengräber Uhlig in Helfenstein besinnen?«
»Sehr gut. Er ist jetzt bei seinem Sohne.«
»Richtig. Der gute Christian Uhlig war Schließer, als Brandt in Untersuchung saß. Jetzt ist derselbe Christian Wachtmeister, und sein Vater wohnt bei ihm, um das Gnadenbrot da zu essen. Ich nahm, aus Forscherabsicht, Veranlassung, mit den Beiden einmal wie zufällig zusammenzutreffen, und ich hörte da etwas, was mir zu denken gab. Nämlich gerade damals ist der alte Schmied zu Christian gekommen, um sich nach Brandt zu erkundigen. Er hat dem Schließer einen Sack voll Kartoffeln von seinen Eltern mitgebracht. Als das erzählt wurde, erfuhr ich so nebenbei von dem alten Todtengräber, daß am Abende des Schloßbrandes die beiden Schmiede bei ihm zur Geburtstagsfeier gewesen seien. Der Knabe der Botenfrau ist begraben worden, und die Schmiede haben geholfen, den Sarg mit Erde zu bedecken.«
Sie sah dem Sprecher fragend in das Gesicht.
»In welchem Zusammenhang steht das Alles?« meinte sie.
»In einem sehr innigen. Nehmen wir an, die Schmiede haben Ihr Brüderchen tödten sollen.«
»Das traue ich ihnen nicht zu!«
»Ich traue ihnen zu, daß sie um der Bezahlung willen diesen Auftrag übernommen haben, aber ich traue ihnen die strikte Ausführung desselben auch nicht zu. Sie haben den Sohn der Botenfrau mit eingescharrt. Das ist des Nachts geschehen, eine gute halbe Stunde, bevor es im Schlosse brannte. Wie nun, wenn man einmal nachgraben ließe, ob sich in jenem Grabe wirklich die Reste einer Kinderleiche befinden?«
»Wie meinen Sie das?« fragte sie gespannt.
»Ich denke, die beiden Pascher haben den alten, braven Todtengräber über’s Ohr gehauen. Sie haben die Leiche entfernt und nur den leeren Sarg einscharren helfen.«
»Ich sehe aber nicht ein, weshalb und wozu!«
»Nun, sehr einfach: um nicht gezwungen zu sein, Ihr kleines Brüderchen zu tödten. Sie wollten das Geld verdienen, die Leiche des Knaben mußte also gefunden sein. Sie nahmen Ihren Bruder fort, legten das Kind der Botenfrau an seine Stelle und brannten das Bettchen an, damit die Verwechslung nicht bemerkt werden könne. So ist meine Combination.«
Da erhob sich Alma langsam und wie starr vom Stuhle. Gerade und aufrecht vor dem Fürsten stehend fragte sie:
»Sie meinen, daß mein Bruder nicht getödtet worden sei?«
»Das meine ich.«
»Daß er auch nicht mit verbrannt sei?«
»Das will ich eben sagen.«
»So kann er ja noch leben!«
»Das ist leicht möglich!«
Da schlug sie die Hände zusammen und rief:
»Und das Alles sagen Sie in einem so ruhigen und kalten Tone!«
»Weil ich nicht Hoffnungen in Ihnen erwecken will, welche sich als trügerisch erweisen können. Halten Sie den kleinen Robert immerhin für todt, und lassen Sie mich weiter forschen.«
»Gott, welch eine Freude, welch ein Glück, wenn er noch lebte!«
»Ja. Welch eine Freude für Sie, und welch ein Schlag für Ihren Cousin!«
»Er müßte die ganze Erbschaft herausgeben!«
»Dazu würde er allerdings gezwungen sein!«
»Durchlaucht, schreiten wir so rasch wie möglich auf der Bahn fort, die
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