Der verlorne Sohn
Mann!«
»Ich? In wiefern?«
»Hast Du denn noch nicht in den Spiegel gesehen?«
»Freilich, doch!«
»Nun, was ist das mit Deinem Auge?«
»Das geschah heute nacht in der Bibliothek. Ich suchte noch nach einem Buche. Da stürzte ein Foliant von oben herab und mit der Ecke mir gerade auf das Auge.«
Sie lächelte ihm merkwürdig malitiös zu und sagte:
»Armer Teufel! Es soll auch Fäuste geben, welche die Kraft und das Gewicht von zehn Folianten besitzen. Doch setze Dich! Hier hat das Mädchen bereits die Chocolade servirt. Erzähle, wie Euer gestriges Unternehmen geendet hat!«
In diesem Augenblicke trat die Zofe ein.
»Der Herr Fürst von Befour wünscht die gnädige Frau Baronin zu sprechen.«
»Ah!« meinte die Genannte. »Wir saßen gestern mit einander zur Tafel. Welche Aufmerksamkeit! Er kommt, sich nach meinem Befinden zu erkundigen.«
»Hm! Aber hier kannst Du ihn doch nicht empfangen!« warf der Baron ein.
»Tölpel!« flüsterte sie ihm zu. Und sich an die Zofe wendend, befahl sie derselben: »Sage dem Diener, daß ich in einer Minute zur Verfügung bin, doch möge Durchlaucht entschuldigen, daß ich Hochdieselbe in italienischer Weise empfange. Du aber kommst sofort wieder, um das Bett zu ordnen.«
Das Mädchen trat hinaus und meinte zum Lakaien:
»In einer Minute ist Madame bereit. Durchlaucht sollen entschuldigen, daß Hochdieselben in italienischer Weise empfangen werden.«
»Kreuzelement! Was heißt das, in italienischer Weise?«
»Im Bett. Dummkopf!«
»Hm! Da lobe ich mir freilich Italien!«
Er trat ab. Als er den Fürsten brachte, stand die Zofe bereit und öffnete die Thür. Die Baronin lag in malerischer Stellung auf dem Ruhebette und lächelte dem Eintretenden verbindlich entgegen. Der Baron stand bei ihr und verbeugte sich tief vor ihm.
»Verzeihung, meine Gnädige, daß die Sehnsucht, eine süße Pflicht zu erfüllen, mich nicht länger warten ließ!« sagte der Fürst, die ihm entgegengestreckte Hand ergreifend, um sie zu küssen.
»Eine Auszeichnung, wie die gegenwärtige, empfängt man nie zu früh!« antwortete sie. »Mein Gemahl, der Baron, Durchlaucht! Heute leider infolge eines kleinen Unfalles ein Wenig indisponibel.«
Der Fürst verbeugte sich. Der Baron hielt es für gerathen, seine Lädur zu entschuldigen:
»Das Studium gewisser Folianten ist oft mit Unbequemlichkeiten verbunden, fürstliche Durchlaucht. Sie fallen Einem zuweilen dahin, wohin eigentlich ihr Inhalt gehört.«
Der Baron hatte gestern falschen Bart getragen, aber der Fürst wußte trotzdem sogleich, woran er war. Diesen Mann hatte er also gestern in das Gesicht geschlagen, und dieser Baron war es auch, welchen er unter den Bäumen bei der Frohnveste gesehen hatte. Eine ganze Fluth von Gedanken und Schlüssen stürmte auf ihn ein; er drängte sie aber zurück und antwortete in verbindlicher Weise: »Stürzt sich Geist auf Geist, so darf allerdings nichts Körperliches dazwischen sein. Doch ist Arnica der dritte Geist, welcher dem Körper freundlicher gesinnt ist.«
»Ich kenne ihn und bitte um die Erlaubniß, mich zu ihm zurückziehen zu dürfen.«
Mit diesen Worten entfernte sich der Baron. Die Baronin hatte bereits ein Tabouret bereit stellen lassen, recht nahe an das Ruhebette. Sie hatte sich die Aufgabe gestellt, diesen seltenen Mann zu fesseln, zu erobern und mit dieser Eroberung in den Gesellschaften zu glänzen. Sie winkte, Platz zu nehmen, und er that es in der gewandten Weise eines Mannes, welcher gewöhnt ist, mit schönen Frauen zu verkehren.
»Ich habe Sie willkommen geheißen, Durchlaucht,« begann sie, »obgleich ich einen Vorwurf auf den Lippen hatte, als Sie eintraten.«
»Sie sind unzufrieden mit mir, meine Gnädige?«
»Sehr!«
»Das macht mich unglücklich!«
»Wer glücklich sein will, darf nicht so plötzlich Orte verlassen, an denen er das Glück findet.«
»Ah! Mein rasches Entfernen hat Sie erzürnt! Pardon! Sie wissen ja, daß wir Indier Barbaren oder doch wenigstens Halbbarbaren sind. Wir bedürfen noch sehr des Unterrichts!«
»Sie werden Lehrer finden.«
»Danke! Wer diese Wissenschaft studiren will, muß sich an die Gewogenheit der Damen wenden. Die Kunst des Salons erlernt man nie von einem Manne.«
»So sollten Sie als Barbar sich schnellstens nach einer Lehrerin umsehen, Durchlaucht!«
»Der Rath ist vortrefflich, Madame; doch die Beschränkung, welche Sie demselben beifügen, ist nicht glückverheißend für mich.«
Sie war nicht geistreich genug, ihn
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