Der verlorne Sohn
und der Tanz begann. Als derselbe zu Ende war und Beide sich wieder setzten, fragte er: »Jetzt wissen Sie es, an wen ich geschrieben habe. Nun möchte ich wissen, ob Sie zornig sind.«
»Ich wüßte nicht, weshalb ich zornig sein sollte.«
»Dann will ich eine große Bitte an Sie richten. Die aber können Sie mir leicht übel nehmen.«
»Wollen sehen! Lassen Sie hören!«
»Schenken Sie mir auch die übrigen Tänze?«
»Hm! Ich soll also mit keinem Anderen tanzen?«
»Das wünsche ich. Ich möchte Sie gern allein für mich haben, obgleich ich kein Recht dazu besitze. Oder interessiren Sie sich vielleicht für einen Anderen, so daß es Ihnen schwer fällt, meine Bitte zu erfüllen?«
»Es geht mich keiner etwas an, und damit Sie dies auch glauben, werde ich nur mit Ihnen tanzen.«
Sein Auge ruhte in freudiger Ueberraschung auf ihrem Gesicht. Ihre vollen Formen wollten fast die ganze Taille zersprengen; ihre küßlichen Lippen blühten ihm entgegen, und in ihrem Blicke leuchtete es, wie auffordernd zum Genusse.
»Das ist herrlich!« sagte er. »Das hätte ich nicht erwartet.«
»Warum nicht?«
»Weil ich glaubte, Sie seien nicht mehr frei.«
»Da haben Sie sich geirrt.«
»O, vielleicht täuschen Sie mich doch!«
»Haben Sie Grund, dies anzunehmen?«
»Ja.«
»O, den möchte ich doch wissen!«
»Ein so schönes Mädchen kann doch kaum ohne Anbeter sein.«
»Anbeter, ja,« antwortete sie, verächtlich die fleischigen Schultern zuckend. »Aber ein Anbeter ist noch kein Liebhaber!«
»Der Unterschied ist nicht sehr groß, und ich kenne Einen, von dem ich doch denken möchte, daß er nicht ganz allein Anbeter gewesen ist.«
»Wer wäre das?«
»Ich werde das lieber verschweigen. Sie können ihn sehen, er ist heute ja da.«
Ihr Auge musterte schnell suchend die verschiedenen Tische und Menschengruppen. Dann antwortete sie:
»Ich sehe keinen Einzigen, den Sie meinen könnten.«
»O, im Saale ist er nicht, sondern da links in dem Nebenzimmer. Er befindet sich in liebenswürdiger Gesellschaft!«
»Sie machen mich so neugierig, daß ich wirklich einmal nachsehen möchte!«
»Thun Sie das. Ich warte hier!«
Sie stand auf und entfernte sich. Er blickte ihr siegesgewiß nach und murmelte für sich:
»Sie ist entzückend schön. Diese Hulda muß ich haben, und wenn ich sonst etwas thun sollte!«
Sein Auge folgte ihr fast trunken. Jetzt ging sie an der offenen, in das Nebenzimmer führenden Thür vorüber. Sie blickte hinein. Er sah sie zusammenzucken.
»Ah, sie hat ihn gesehen,« dachte er. »Nun werde ich es erfahren, ob es mit ihm aus ist.«
Sie schritt langsam und wie absichtslos promenirend um den Saal herum und kehrte dann zu ihm zurück.
»Nun, haben Sie ihn gesehen?« fragte er.
»Nein.«
»Er sitzt da drin!«
»Ich habe wirklich Keinen gesehen, für den ich mich interessiren könnte. Wen meinen Sie denn?«
»Nun, den gewissen Anton.«
»Anton? Ich kenne keinen Anton,« antwortete sie, indem sie sich erstaunt stellte.
»O, doch!«
»Dann wissen Sie es besser als ich,« schmollte sie.
»Besser wohl nicht. Sie sollten eigentlich aufrichtig sein.«
»Aber wer ist denn dieser Anton?«
»Er ist – – ist – – Spion.«
»Spion? Wie meinen Sie das?«
»Geheimpolizist.«
»Ach gehen Sie! Ich habe nie mit der Polizei zu thun gehabt, am Allerwenigsten aber gar mit einem Geheimpolizisten.«
»Auch während Ihres letzten Dienstes nicht?«
»Nein. Wissen sie überhaupt, wo ich engagirt gewesen bin?«
»Bei der Baronin von Helfenstein.«
»Ah! Woher wissen Sie das?«
Er besann sich ein Weilchen und antwortete dann:
»Das darf ich Ihnen eigentlich nicht sagen.«
»Warum denn nicht?«
»Weil Sie mir dann gewiß sehr böse sein würden.«
»Ich an Ihrer Stelle ließe es darauf ankommen.«
»Meinen Sie? Nun, dann will ich es sagen. Aber ich habe mich Ihnen noch gar nicht vorgestellt – –«
»Ich auch nicht,« sagte sie. »Ich heiße Hulda Neumann.«
»Das weiß ich schon längst.«
»So scheinen Sie sich also mit mir beschäftigt zu haben?«
»Allerdings. Mein Name ist August Mehnert; ich bin Goldarbeiter. Ich war bis vor kurzer Zeit Gehilfe, und da ich nicht zu den Verschwendern gehöre und nicht bei meinem Principale wohnen konnte, so hatte ich mir eine unter dem Dache gelegene, billige Schlafstelle gemiethet. Die lag nach hinten. Ich konnte aus dem kleinen Fenster auf die Seitenfronte eines gewissen Palais sehen. Da gab es ein Fenster, welches stets erleuchtet wurde,
Weitere Kostenlose Bücher