Der verlorne Sohn
und entsage hiermit ausdrücklich aller Weigerung und Ausrede.
(
L.S.
)
Ernst, Freiherr von Tannenstein
auf Grünbach.«
»Also eine Schuldverschreibung,« sagte Robert.
»Eine Schuldverschreibung in Wechselform. Was meinen Sie, behalten wir das Geld?«
»Natürlich.«
»Und diese Verschreibung?«
»Auch. Wir behalten überhaupt die Tasche nebst Inhalt, um sie der Behörde zu übergeben.«
»So wollen wir hier das Loch wieder schließen, aber so behutsam und sauber, wie er es gethan hatte.«
»Er wird fürchterlich erschrecken, wenn er zurückkehrt und das Nest leer findet.«
»Natürlich, denn dann sind ihm volle fünfzigtausend Gulden verloren. Da müssen wir nun vorsichtig sein. Es ist möglich, daß er schon heute wiederkommt. Findet er das Loch leer, so schöpft er natürlich Verdacht und unser Lauschen heute am Abend ist umsonst.«
»Sie meinen, wir legen die Brieftasche wieder hinein?«
»Gott bewahre! Das wäre das Allerdümmste, was wir thun könnten. Nein, die Brieftasche behalten wir.«
»Aber wenn er zurückkehrt, merkt er ihren Verlust!«
»Wenn wir es richtig machen, merkt er nichts. Wir müssen es nämlich so einrichten, daß er diesen Ort gar nicht wiederfindet.«
»Ah, dieser Gedanke ist allerdings sehr gut. Wir machen also das Loch sorgfältig zu.«
»Nicht blos das, sondern wir haben es auch mit übergestreutem Laub zu verdecken.«
»Warum das?«
»Weil da, wo er mit dem Messer den Rasen zerschnitten hat, das Gras welken wird. Das Viereck würde also sofort in die Augen fallen, wenn wir es nicht durch Laub unsichtbar machten. Nur muß das Laub das Aussehen haben, als ob es hergeweht worden sei.«
»Aber die Zweige, welche er hier verflochten hat?«
»Machen wir auseinander.«
»Schön; dann findet er den Baum nicht leicht.«
»O, er hat sich noch einmal umgesehen. Ich fürchte, er fände diesen Baum trotz alledem, wenn wir nicht noch etwas Anderes thun. Wir flechten nämlich die Zweige eines anderen Baumes zusammen.«
»Oder die Zweige zweier Bäume. Das wird ihn ganz bestürzt machen. Er wird gar nicht wissen, woran er ist. Er wird unter diesen Bäumen suchen und doch nur den unverletzten Boden finden. Das wird ihn dermaßen verblüffen, daß er gar nicht auf den Gedanken kommt, der Schatz sei ihm geraubt worden. Kommen Sie. Hier sind wir fertig. Suchen wir uns in einiger Entfernung einen passenden Ort.«
Der Plan Holm’s wurde sofort ausgeführt. Eben waren sie damit fertig, und wollten sich entfernen, als sie Jemand husten hörten. Sie nahmen rasch eine möglichst unbefangene Haltung an und bewegten sich, wie suchend, unter den Bäumen hin.
»Halt!« tönte es ihnen entgegen. »Was giebt es hier in meinem Walde zu suchen?«
Der Freiherr stand vor ihnen. Er trug eine Doppelbüchse auf der Schulter. Diese Waffe mochte ihm eine ungewöhnliche Sicherheit geben, denn er blickte die beiden jungen Männer wie triumphirend an und fuhr, ohne eine Antwort abzuwarten, fort:»Zweifeln Sie nun noch, daß ich der Freiherr von Tannenstein bin?«
»Ja,« antwortete Holm. »Sie haben sich in der Residenz Moosberg genannt; das wird Ihr richtiger Name sein.«
»O, es war ein Pseudonym; ich befand mich incognito in der Hauptstadt. Was haben Sie hier auf meinem Reviere zu thun?«
»Ihr Revier? Ich will einmal annehmen, daß es wirklich so ist; aber hier läuft ein Fußpfad. Wer will mir verbieten, ihn zu benutzen?«
»Ich,« sagte er stolz. »Ich lege meine Privatwege nicht für Jedermann an. Uebrigens haben Sie diesen Pfad gar nicht benutzt. Sie kamen da links zwischen den Bäumen hervor. Ich frage nun zum dritten Male, was Sie hier zu suchen haben?«
»Pflanzen.«
»Wozu? Sind Sie etwa Pflasterfabrikanten?«
»Wir botanisiren.«
»Und das thun Sie so ohne Weiteres da, wo es Ihnen beliebt!«
»Da, wo der Herrgott die Pflanzen wachsen läßt, welche Interesse erregen.«
»Schön! So werde auch ich jetzt einmal botanisiren.«
»Dagegen haben wir nichts.«
»Sie sind die Pflanzen, für welche ich mich interessire.«
»Ah, so! Weiter, Herr – Moosberg!«
»Ich werde Sie also mit nach Hause nehmen.«
»Wir danken.«
»Das hilft nichts, Sie haben sich heute thätlich gegen mich vergangen. Ich attrapire Sie hier auf meinem Jagdgebiet –«
»Etwa als Wilderer?«
»Wer kann das wissen. Sei dem, wie ihm sei. Ich bin hier Grund-und Polizeiherr. Ich arretire Sie und Sie haben mir zu folgen. Vorwärts!«
Er rückte martialisch an der Flinte und deutete ihnen durch eine
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