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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gebieterische Handbewegung an, daß sie vor ihm hergehen sollten.
    »Bei Gott, er macht Ernst!« sagte Holm.
    »Ah, Sie denken etwa, daß ich mit solchem Volke scherze? Wenn Sie nicht gutwillig folgen, werde ich Sie an einander fesseln!«
    Robert hatte ihn jetzt in ruhiger Verwunderung betrachtet. Jetzt lachte er laut auf und antwortete:
    »Mann, Sie sind wirklich verrückt! Denken Sie an die Ohrfeige, welche Sie bereits erhalten haben!«
    »Eben weil ich an sie denke, habe ich Sie arretirt. Ich werden mit Ihnen abrechnen.«
    »Wir haben mit Ihnen nichts zu thun. Kommen Sie, Doctor!«
    Er ergriff Holm’s Arm, um sich mit ihm zu entfernen. Da aber stellte sich der Freiherr ihnen in den Weg und sagte:»Halt! Sie entfernen sich ohne meine Erlaubniß keinen Schritt von hier. Solche naseweisen Jungens entläßt man erst dann, wenn man ihnen Mores gelehrt hat. Ich befehle Ihnen – au, Donnerwetter!«
    Er unterbrach sich und fuhr mit beiden Händen nach dem Gesicht, denn kaum war das beleidigende Wort gefallen, so klatschte Robert’s Hand ihm blitzschnell erst auf die eine und dann auf die andere Wange.
    »Da, Dummkopf! So machen es die naseweisen Jungens. Du wärst der Kerl dazu, uns zu arretiren!«
    Da besann er sich auf sein Gewehr. Er riß es von der Schulter, legte an und rief wütend:
    »Canaille, kniee nieder und bitte um Verzeihung, sonst jage ich Dir augenblicklich eine Kugel an den Kopf! Ich verstehe keinen Spaß!«
    »Und dennoch machst Du Spaß, alter Esel! Siehst Du denn nicht, daß das Gewehrschloß verbunden ist! Schieß zu! Das wird Deinem Ruhme die Krone aufsetzen!«
    Er zog lachend Holm mit sich fort. Der Freiherr machte keine Miene, sie festzuhalten. Er war ganz perplex. Daß er mit verbundenem Schlosse hatte schießen wollen, das kam auch ihm so albern vor, daß er gar keine Worte fand, seinem Zorne Luft zu machen.

    Die beiden Anderen aber brauchten lange, um ihre Heiterkeit zu bewältigen.
    »Wenn er wüßte, was wir eigentlich gegen ihn vorhaben, würde er noch ganz anders sein,« sagte Holm. »In einer halben Stunde wird es Nacht. Suchen wir noch einmal die Linde auf, um beurtheilen zu können, ob wir in ihrem Inneren Platz finden.«
    »Das könnte auffallen. Gehen Sie allein. Wenn nur eine Person sich in der Nähe des Baumes befindet, erregt es die Aufmerksamkeit Anderer nicht so sehr.«
    »Sie sind ja der reine Criminalpolizist! Aber Sie haben sehr Recht. Gehen Sie nach dem Dorfwirthshaus, um mich dort zu erwarten. Ich komme nach.«
    Sie trennten sich. Robert fand das Wirthshaus, in welchem er nicht sehr lange Zeit zu warten brauchte. Nachdem Holm gekommen und sich zu ihm gesetzt hatte, sagte er: »Es wird sich machen. Ich glaube sogar, daß in der Höhlung Platz für zwei Personen ist. Aber wie nun, wenn man auf den Gedanken kommt, zu untersuchen, ob sich Jemand im Baume befindet?«
    »Das wäre dumm.«
    »Ja; aber da es dagegen kein Mittel giebt, so müssen wir es eben darauf ankommen lassen. Um Mitternacht soll es vor sich gehen. Wie bringen wir die Zeit bis dahin zu?«
    »Dort steht ein Billard.«
    »Hm, ja. Aber unsere Gegenwart kann hier auffallen.«
    »Wir brauchen ja nicht bis Mitternacht hier zu bleiben. Es ist heute im Freien so schön, daß wir uns draußen irgendwo hinlegen können.«
    »Ganz recht. Also spielen wir eine Weile und dann gehen wir.«
    Das geschah. Als es zehn Uhr geschlagen hatte, entfernten sie sich und zwar begaben sie sich in die Nähe der Linde.
    Es war still und einsam da. Sie konnten im Dunkel des Abends nicht gesehen werden. Jetzt probirten sie, ob sie im Inneren des Baumes Platz fanden. Es ging; aber die Stellung, welche sie dabei einzunehmen hatten, war so unbequem, daß sie in derselben nicht bis zur Ankunft des Erwarteten verharren konnten. Sie setzten sich darum auf den Rasen, welcher den Stamm umgab, und horchten lautlos auf jedes in ihr Ohr dringendes Geräusch.
    Endlich, kurz vor Mitternacht, hörten sie von der Straße her nahende Schritte und sofort krochen sie in die Höhlung. Ein Mann kam und setzte sich gerade dahin, wo sie vorher gesessen hatten. Einige Minuten vergingen; dann hörte man abermals Schritte. Ein zweiter kam. Er trat herbei und grüßte.
    »Sind Sie schon lange hier?« fragte er.
    »Nein; kaum fünf Minuten.«
    »Sind Sie vielleicht in der Umgegend gesehen worden?«
    »Gott bewahre. Ich bin zwar bereits am Nachmittage hier angekommen, denn ich habe einen wirklichen Parforcemarsch gemacht, aber ich bin auf Schleichwegen gegangen und

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