Der verlorne Sohn
stand da, welche den Ankömmling mit scharfen Blicken musterte.
»Zu wem wollen Sie?« fragte sie.
»In den Salon.«
Sie betrachtete ihn abermals und sagte dann mißlaunig:
»Sind Sie heute wohlhabend?«
»Mehr, als Sie denken.«
Damit schob er sich an ihr vorüber und stieg die Treppe empor. Da oben trat er in ein reich ausgestattetes Zimmer, in welchem sich eine Anzahl junger Damen und Herren befanden. Von ihnen getrennt, saß ganz allein in einer Ecke ein Mann mit rothem Bart und Haar. Zu ihm wendete sich der Schlosser sofort.
»Sind Sie Herr Brenner?« fragte er leise.
»Brenner ist allerdings mein Name,« antwortete der Gefragte langsam und in der Weise, in welcher Stotternde zu reden pflegen.
»Kennen Sie den Fürsten des Elendes?«
»Ja.«
»Ich bin –«
»Schon gut! Ich kenne auch Sie!«
»Was? Wie? Mich?« flüsterte der Schlosser.
»Ja. Sie haben dem Fürsten gestern abend einen großen Dienst geleistet.«
»Das ist allerdings wahr.«
»Und sich heute am Morgen die Belohnung dafür geholt.«
»Auch das stimmt.«
»Sie dachten da, in der Wohnung des Fürsten zu sein, haben sich aber geirrt. Er hat verschiedene Wohnungen, welche er je nach Gelegenheit und Bedarf benützt. Wer hat Sie an mich gewiesen?«
»Zwei alte Leute, welche in der Siegesstraße wohnen.«
»Schön! So muß Ihre Angelegenheit eine wichtige und auch eilige sein. Was wollen Sie?«
»Ich muß unbedingt mit dem Fürsten sprechen.«
»Das ist für heute nicht möglich.«
»Welch ein Unglück!«
»Ein Unglück? Vertrauen Sie mir die Angelegenheit. Ich bin zuweilen Stellvertreter des Fürsten, auf alle Fälle aber sein Vertrauter.«
»Wenn das wirklich ist, so kann ich allerdings sprechen. Ist Ihnen ein Riese Bormann bekannt?«
»Sehr. Er ist heute Nacht bei der Baronesse von Helfenstein eingebrochen. Nicht?«
»Ach, ich sehe, daß Sie eingeweiht sind.«
»Mehr, als Sie denken. Sie sind ein Untergebener des geheimen Hauptmannes, dabei aber ein geheimer Anhänger des Fürsten. Sie werden belohnt werden. Aber, was ist heute mit dem Riesen?«
»Da der Plan, ihn durch eine verbrecherische List zu befreien, gestern vereitelt wurde, so soll er heute anderwärts ausgeführt werden.«
»Alle Wetter! Wo?«
»Es soll im Schlafzimmer der Tochter des Obersten von Hellenbach eingebrochen werden.«
Der Rothkopf sprang erschrocken von seinem Stuhle auf.
»Bei Fanny von Hellenbach?« fragte er.
»Ja.«
»Wann?«
»Vielleicht bereits in diesem Augenblicke.«
»Dann vorwärts fort! Und unterwegs das Weitere.«
Er zog die Börse und warf ein Goldstück als Bezahlung des Weines, welchen er nun nicht genießen konnte, auf den Tisch. Dann eilten Beide fort. Keine der übrigen anwesenden Personen hatte eine Sylbe der Unterredung verstanden.
Auf der Straße angekommen, nahm der Rothe den Arm des Schlossers und fragte im raschen Vorwärtsschreiten:
»Sind Sie genau unterrichtet?«
»Ja. Ich war zugegen, als der ›Hauptmann‹ davon sprach.«
»Der Riese soll wieder freigelassen werden?«
»Ja.«
»Das wird heute das Unglück des Schließers sein. Er dauert mich. Aber der Riese ist ein brutaler Mensch; das Fräulein befindet sich vielleicht in Todesgefahr, und ich erfahre die Sache zu spät, um private Maßregeln ergreifen zu können. Ich bin also gezwungen, die Hilfe der Polizei in Anspruch zu nehmen. Wer wird bei dem Riesen sein?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie sind nicht mit zu ihm befohlen, wie gestern?«
»Nein. Und da der Hauptmann Jedem seine Befehle nur einzeln und leise giebt, so weiß Keiner, was der Andere zu thun hat.«
»Wünschen Sie in dieser Angelegenheit mit der Polizei in Berührung zu kommen?«
»Allerdings ganz und gar nicht. Ich befürchte, daß der Hauptmann sogar bei der Polizei seine Anhänger hat.«
»Das glaube ich nicht. Ich habe die hiesigen Verhältnisse genau studirt. Wir haben hier lauter pflichttreue und diensteifrige Leute. Sie allerdings haben überhaupt Ursache, nicht von ihnen bemerkt zu werden. Es ist also besser, daß wir uns trennen. Gute Nacht!«
Er ließ ihn stehen und ging schnellsten Schrittes weiter.
»Er hat mich nicht erkannt,« meinte er für sich hin. »Das ist ein Zeichen, daß ich in meinen Verkleidungen nichts zu befürchten habe. Diese Lahia-laki, diese natürlichen Scalpbärte und Scalpperrücken sind gar nicht mit Geld zu bezahlen. Ah, endlich! Da ist die Wache!«
Er stand vor dem Lokale desjenigen Reviers, zu welchem die Wasser-und auch diejenige Straße gehörte,
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