Der verlorne Sohn
Gulden. Oder er schreibt Liebesbriefe für Hausknechte und Dienstmädchen, das Stück zu sechs bis acht Kreuzer.«
»Weib, was bist Du dumm! Ein Dichter ist ein Mann, welcher im Leben erhungert das Geld zu dem Denkmal, welches man ihm setzen wird nach seinem Tode, wo er nicht mehr braucht zu essen und zu trinken. Wer ihn unterstützt in seiner Armuth, dessen Name wird mit eingehauen in das Denkmal von Marmor und wird schimmern in goldenen Buchstaben, welche kosten herzustellen beinahe zwanzig Kreuzer das Stück.«
Sie blickte ganz erstaunt zu ihm auf und fragte:
»Salomonleben, ist’s die Wahrheit, was Du redest?«
»Die reine Wahrheit. Willst Du nicht haben, daß unser Name wird ausgehauen in Marmor aus Carara oder Namur?«
»Das will ich, ja, das will ich!«
»Und daß er soll glänzen in Gold zu solchem Preis das Stück?«
»Auch das will ich, wenn Du mir kannst versichern, daß dabei stehen wird Rebecca, welches ist der Name, der mir gehört.«
»Es werden ausgemeiselt sein die Namen Salomon Levi, Rebecca und Judith als Retter des großen Dichters Robert Bertram, welcher hat gemacht Reime über die Heimath und sogar über die Wüste. Und was wird uns kosten dieser Ruhm –?«
»Geld, viel Geld!«
»Nein, sehr wenig Geld. Judith wird ihm vorsetzen Brod, ein Stück Käse von Milch, welche ist gewesen abgerahmt, und einige Zehen Knoblauch, um zu begleiten mit Würze das Brod und den Käse. Was wird kosten die Geschichte? Einen Groschen fünf Pfennige oder neun Kreuzer.«
»Aber er wird Dir wollen abborgen immer mehr Geld!«
»Diese Kette ist werth sechzig Thaler. Habe ich ihm gegeben fünfzig, so habe ich noch immer gemacht ein gutes Geschäft. Und will er haben noch mehr Geld, so mag er bringen noch mehr solche Ketten.«
»Er wird keine mehr haben!«
»So wird er welche bekommen. Ein Dichter wie er erhält Ehrenketten von Fürsten und Potentaten, welche ihm nicht geben wollen Brod, Wäsche, Stiefel und Hauszins nebst Einkommensteuer, wo er ja hat gar kein Einkommen.«
»Aber wenn er ist ein so berühmter Mann, wie soll ich da wagen, mit ihm zu sprechen, zu sitzen und zu essen an demselben Tische?«
»Das ist nicht nöthig. Auch ich selbst weiß nicht zu setzen schöne und gelehrte Worte, welche sich reimen am Ende der Zeile, aber Judithchen, unser Kind, hat gelernt Geographie, die Geschichte von der großen, französischen Revolution und die Kunde von dem Nordpol und dem Lande der Chinesen. Sie kann mit ihm plauschen nach Herzenslust und wird mit ihm speisen in ihrem Zimmer, wohinein ein Dichter eher paßt als in diese Niederlage von alten Gegenständen. Sie wird – ah, Gott der Gerechte, sie ist bereits fort! Sie ist schon verschwunden! Sie wird sich haben zurückgezogen, um zu machen ihre Toilette, wie sie es beginnt anzufangen, wenn sie macht lebendige Bilder mit ihrer Freundin Sarah Rubinenthal.«
Judith hatte sich allerdings entfernt, ohne sich in das Gespräch ihrer Eltern einzulassen. Sie kannte ihre Eltern; sie wußte aber auch, was sie wollte und durfte. Sie gab der alten, verschwiegenen Magd Geld, einen Korb und einen Zettel, auf welchem bemerkt stand, was sie zu haben wünschte. Dann begann sie ihre Toilette. Sie wußte, daß sie schön war, und sie wollte sich dem Dichter in der ganzen Herrlichkeit dieses Vorzuges zeigen.
Als Robert das Haus verlassen hatte, begegnete er einem Manne, der, als er an ihm vorüber geschritten war, für einen Augenblick stehenblieb und ihm nachschaute.
»War das nicht der Schreiber Bertram?« murmelte er. »Jedenfalls hat er bei dem Juden Etwas versetzt. Er pfeift auf dem letzten Loche.«
Der Mann trat nach diesem Selbstgespräche in ein kleines Haus, tappte sich die finstere Treppe hinauf und klopfte an eine Thür. Als er dieselbe geöffnet hatte, zögerte er einen Augenblick, einzutreten, und zwar vor Erstaunen.
Das sah hier ja ganz anders aus als gestern!
Der Mann war nämlich Baron Franz von Helfenstein, und hier in dem Zimmer wohnte der Schließer Arnold, welchen er gestern bereits hier gesprochen hatte. Gestern so kahl, so leer, so elend! Heute war Alles anders! Die Frau, welche ihn sofort erkannte, kam ihm mit freudig glänzendem Angesichte entgegen.
»Sie, mein Herr!« sagte sie. »Seien Sie mir willkommen! Sie haben uns Errettung aus einer bösen Lage gebracht.«
»Sie sind also mit mir zufrieden?« fragte er, indem er die Thür hinter sich zuzog.
»O sehr! Ueber alle Maßen!«
»Und Ihr Mann ebenso?«
»Auch! Er hat zwar eine große
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