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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verwendet werden zu können. Das gab Hilfe in der Noth.
    Eduard erreichte den Wald. Er kannte eine junge Fichte, welche abgestorben war. Sie war nicht schwer zu finden, und bereits nach kurzer Zeit stand er vor ihr. Er handelte fast willenlos, ganz noch unter dem Einflusse des Geschehenen. Er kniete nieder, legte die Säge an und –»Herr, mein Heiland, was will ich thun!«
    Der Ton, welchen die Säge erzeugte, als sie die dürre Rinde berührte, hatte ihn zu sich gebracht. Es war ihm, als ob er aus einem tiefen Schlafe erwache.
    »Das ist ja Diebstahl,« murmelte er. »Forstdiebstahl der streng, sehr streng bestraft wird! Soll ich denn die Eltern und Geschwister noch elender machen, als sie bereits jetzt sind? Nein, ich stehle nicht, sondern ich will arbeiten!«
    Er erhob sich aus der knieenden Stellung.
    »Arbeiten?« fuhr er fort. »Ja, aber kann ich denn? Ich soll ja keine Arbeit mehr erhalten! Gut, so gehe ich in den Kohlenschacht. Ich werde morgen fragen, ob man mich annehmen will.«
    Wenn der Mensch im Unglücke einen festen Entschluß faßt, so ist ihm bereits zur Hälfte geholfen. Eduard fühlte sich plötzlich ganz ruhig und voll Vertrauen. Er verließ den Ort, an welchem er beinahe zum Diebe geworden wäre.
    Der Schnee leuchtete. Indem der junge Mann einem schmalen Waldpfade folgte, welcher nach dem offenen Wege führte, hörte er plötzlich Schritte vor sich. Er blieb überrascht, vielleicht sogar ein Wenig erschrocken stehen. Der ihm Begegnende that dasselbe. Hier unter den Bäumen fiel der Schnee nicht so dicht, als draußen im Freien. Die beiden erkannten sich sofort.
    »Herr Förster.«
    »Was? Hausers Eduard? Was thun Sie zu dieser Zeit und in diesem Wetter hier im Walde?«
    »Das will ich Ihnen sagen, Herr Förster, ganz offen und ehrlich, wie es ist. Ich kam, um Holz zu stehlen. Hier sehen Sie die Handsäge. Aber als sie durch die Rinde zu schneiden begann, da war es mir gerade so, als ob es nicht durch den Baumstamm, sondern durch meine Seele gehe. Ich kehrte um.«
    »Das ist doch gar nicht zu glauben! Hausers Eduard ein Holzdieb, das macht mir keiner weiß, wenn Sie es nicht selber wären, der es sagt. Das muß seine eigene Bewandtniß haben.«
    »Die hat es auch. Hören Sie!«
    Er erzählte sein heutiges Unglück. Der Förster war ein rauher Mann, aber unter seinem unnahbaren Äußeren verbarg er ein tiefes, wohlwollendes Gemüth. Er hörte den Worten Eduard’s schweigsam zu und sagte dann, als dieser geendet hatte: »Ja, ja, so ist es! Diese Seidelmann’s sind ein wahrer Segen für unsere Gegend. Es giebt weit und breit keine Concurrenz für sie, und so haben sie das Prä und die Dominatio in ihren ungewaschenen Händen. Es ist mit ihnen ganz dasselbe wie mit dem Kohlenbergwerk, bei welchem der Baron Franz von Helfenstein die Alleinherrschaft hat. Ein zweites Werk giebt es in der ganzen Gegend nicht; die Bewohner sind zu arm, um mit ihren meist zahlreichen Familien auszuwandern oder eine Gegend im Vaterlande, wo sie Arbeit finden könnten, aufzusuchen, auch hängen die braven Leute an ihrer Heimat, trotz des Elendes, an welchem sie da zu kauen haben, und so hat der Baron und der Seidelmann alle Welt in der Hand. Wem sie keine Arbeit geben, der muß entweder verhungern oder zu den Paschern gehen, und wem sein Lohn ohne allen Grund verkürzt werden soll, der muß es sich einfach gefallen lassen. Ich habe eine fürchterliche Liebe zu diesen Schuften. Sie allein sind Schuld an der immer mehr überhand nehmenden Verarmung. Sie allein haben es auf dem Gewissen, daß die Zahl der Schmuggler, der Wild-und Holzdiebe so auffällig wächst. Heiliges Hagelwetter, wie wollte ich mich freuen, wenn ich Gelegenheit fände, Einem von ihnen einmal Etwas am Zeuge zu flicken! Ich wollte, ich könnte ihnen sämmtliche Bäume meiner Forstungen um die Köpfe schlagen, aber Notabene, die Äste und Zweige dürften es nicht sein, sondern ich würde gleich die Stämme nehmen, gerade wie Rübezahl, welcher ja auch an solchen Herren seinen Narren gefressen hat! Wenn ich den Baron, den Zahlmeister vom Schachte oder einen Seidelmann sehe, so wird es mir allemal warm unter der Jacke, die Kaputze will mir vom Kopfe, und in den Fingern juckt es mich, als wenn ich in ein ganzes Feld voller Brennesseln gegriffen hätte! Der Teufel hole dieses Gesindel; aber nicht etwa fein säuberlich unter den Armen darf er sie anfassen, sondern er muß vierzigtausend Satane mitbringen, von denen jeder ein einzelnes Haar dieser Schufte in die

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