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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Krallen nimmt! Und dann muß es durch die Luft gehen, hurr, hurr, hopp, hopp, hopp, gerade wie in dem Gedichte von der Lenore, welches der Schiller gemacht hat, oder der Beethoven oder der alte Schweppermann; ich weiß es nicht genau; kurz und gut, ein berühmter Kerl ist es gewesen. Auch Du sollst ihnen zum Opfer fallen, mein Junge. Du bist ein braver Kerl, ein guter Sohn und ein tüchtiger Arbeiter; das wissen wir Alle. Was Du heute geliefert hast, ist jedenfalls tadellos gewesen; aber wer weiß, welchen Grund dieser Seidelmann hat, Dich in das Elend zu stürzen. Hast Du ihn einmal beleidigt?«
    »Nie! Wenigstens weiß ich nichts davon.«
    »Oder bist Du ihm irgendwie im Wege?«
    »Wie sollte das der Fall sein! Sein Weg ist ja ein ganz anderer, als der meinige.«
    »Das ist wahr. Aber einen Grund hat er jedenfalls. Vielleicht wirst Du ihn noch erfahren. Was aber gedenkst Du anzufangen? Ein Spitzbube wärest Du beinahe geworden. Ein Glück, daß der Grund und Boden bei Dir so gut bearbeitet ist! Da kann moralisches Unkraut nicht gut haften. Oder willst Du unter die Pascher gehen?«
    »Das fällt mir nicht ein, Herr Förster. Ein Verbrecher werde ich nicht. Lieber verhungere ich. Ich habe mir vorgenommen, morgen früh zum Obersteiger zu gehen. Vielleicht giebt er mir Arbeit.«
    »Kohlenarbeiter willst Du werden Junge?«
    Der alte, biedere Mann pflegte erwachsene Burschen, wie Eduard einer war, wohl mit »Sie« anzureden; hier aber ging ihm die Sprache mit dem guten Herzen durch und mit dem Interesse, welches er für diesen Fall hegte.
    »Ja; es bleibt mir doch nichts Anderes übrig,« antwortete der Gefragte.
    »Aber Du wirst nur als Anfänger bezahlt werden, das heißt, schlecht genug, da Du von der Sache noch nichts verstehst!«
    »Das muß ich mir allerdings gefallen lassen. Besser ist es immer, wöchentlich wenig zu verdienen, als monatlich gar nichts.«
    »Hm! Auch das ist richtig. Es freut mich, daß Du aus eigenem Antriebe heute von dem falschen Wege wieder abgewichen bist, und darum möchte ich mich gern Deiner annehmen. Leider aber habe ich dazu gar keine Gelegenheit. Im Winter wird im Revier nicht gearbeitet; Personal habe ich übergenug. Es geht nicht, beim besten Willen nicht! Also Holz wolltest Du holen? Habt Ihr etwa kein Brennmaterial?«
    »Gar keines. Der Vater ging vorhin zum Nachbar Hofmann, um sich ein Bischen Holz und ein paar Stücke Kohlen zu borgen.«
    »Zu dem? Hm! Dem steht auch der Kopf höher, als Du denkst und als er Veranlassung hat. Er scheint bei dem Seidelmann in einiger Gunst zu sein, und das treibt ihm die Nase aufwärts. Ich möchte nicht bei ihm borgen. Und wie steht es denn mit der Nahrung bei Euch? Was habt ihr heute Mittag gegessen?«
    »Kartoffeln?«
    »Und was dazu?«
    »Salz. Die Mutter hat es über dem Feuer gebräunt.«
    »Ah, kenne das! Es muß einen schärferen Geschmack bekommen, damit man die seifigen, ungesunden Kartoffeln hinunter bringt. So ist die Nahrung unserer armen, braven Bevölkerung beschaffen. Kein Wunder, daß dann die Haut um die Knochen schlingert und das Blut eine Schärfe erhält, welche am Leben frißt! Und heute Abend? Was habt ihr da auf dem Tische?«
    »Nichts. Die Mutter wollte nachsehen, ob noch einige Kartoffeln vorhanden seien.«
    »O weh! Da hat der Magen schon zu Fastnacht Osterferien! Ist das ein Elend! Wer ist Schuld daran? Die Regierung etwa? Die thut Alles, was sie thun kann. Aber die Blutsauger, die Vambeeren oder Vampiren oder wie sie heißen, die sind Schuld daran! In unserer Gegend sollte es auch einen solchen Fürsten des Elendes geben wie in der Residenz!«
    »Einen Fürsten des Elendes? Was ist das?«
    »Wie? Du hast noch nichts von diesem Prachtkerl gehört?«
    »Kein Wort!«
    »Hm, ja! Ihr schindet Euch von Morgens bis Abends und oft auch wieder von Abends bis früh Morgens mit Eurer Arbeit und habt keinen Augenblick Zeit, Euch um das zu bekümmern, was draußen vorgeht. In der Residenz ist nämlich eine geheimnißvolle Person aufgetaucht, welche überall da zum Vorschein kommt, wo ein armes Menschenkind mit Noth und Sorge ringt. Diese Person bringt dem Unglücklichen Hilfe und verschwindet dann wieder. Kein Mensch weiß, wer der Mann ist. Er scheint allwissend und allgegenwärtig zu sein. Wer den Namen ›Fürst des Elendes‹ aufgebracht hat, das kann Niemand sagen, aber bezeichnend ist er ganz und gar. So einen Engel sollten wir hier haben! Na, ich sehe, Du zitterst vor Frost. Das ist kein Wunder: Nichts auf dem Leibe und

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