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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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in Bewegung. Da wendete sich der Herr nach rückwärts und sagte: »Sie werden sich wundern, was so spät ein Reisender bei Ihnen will!«
    »Hm, ich werde es wohl erfahren.«
    »Allerdings. Doch warten wir, bis wir bei Ihnen sind.«
    Die fünf Minuten vergingen, und nun sahen sie, nur ein klein Wenig abseits der Straße, das Forsthaus unter hohen, mit Schnee beschwerten Tannen, stehen. Der Kutscher lenkte hinüber, und noch ehe sie anhielten, öffnete sich die Thür, unter welcher eine behäbige Frauengestalt erschien, eine Laterne in der Hand haltend.
    »Guten Abend, Bärbchen!« grüßte der Förster. »Hat Dich das Schellengeläute heraus gezogen? Ja, Du hast wohl nicht gedacht, daß Dein Alter heute so vornehm mit Extrapost ankutschirt kommt!«
    Sie trat auf die Stufen heraus und antwortete:
    »Das habe ich freilich nicht gedacht; aber die Extrapost habe ich doch erwartet.«
    »Du?« fragte der Förster erstaunt. »Was hast denn Du mit solchen Extragelegenheiten zu schaffen?«
    »Gerade als Du fort warst, brachte ein Lohnfuhrmann aus der Stationsstadt zwei Koffer und sagte, daß der Herr, dem sie gehören, mit Extraschlitten nachkommen werde.«
    Der Alte warf einen Blick auf den Fremden, welcher soeben hinter Eduard ausgestiegen war, und sagte:
    »Da ahnt und schwant es mir, daß Sie der Besitzer dieser Koffer sind.«
    »Ich bin es. Doch bitte, lassen Sie uns vor allen Dingen eintreten!«
    »Halt!« rief da Wunderlich. »Sie sehen aus wie ein vornehmer Herr. Vielleicht sind Sie Kaufmann oder so Etwas, und mein Haus liegt nahe bei der Grenze. Sie haben zwei Koffer mit. Sollte es sich etwa um eine Schmuggelei handeln, so muß ich mich sehr verwahren. Meine Thür steht einem jeden braven Kerle offen; aber wenn Sie in solcher Absicht kommen, so nehmen Sie nur gleich die Beine wieder unter die Arme!«
    »Alter, Alter!« warnte seine Frau in bittendem Tone.
    »Keine Sorge!« fiel der fremde Herr ein. »Ich komme in der ehrlichsten Absicht von der Welt. Sie brauchen mich nicht von sich zu weisen.«
    Er gab dem Postillon ein Trinkgeld. Dieser mochte fühlen, daß es ein sehr ungewöhnliches sei und machte ein außerordentliches Honneur. Dann trat er mit seinem Schlitten den Rückweg an.
    »Sie sehen, mein lieber Herr Förster, daß ich die Schiffe hinter mir verbrenne,« sagte der Fremde. »Ich kann nun nicht retour, und Sie müssen mir wohl oder übel den Zutritt gestatten.«
    »Wenn Sie wirklich nicht in der erwähnten Absicht kommen, dann von Herzen gern. Gehen Sie voran!«
    Die Försterin leuchtete ihnen durch den dunklen Flur in die Wohnstube. Diese war niedrig; die Wände bestanden aus Holztäfelwerk, und die Möbels waren beinahe mehr als einfach; aber alles glänzte vor Sauberkeit, und der alte, riesige Kachelofen, welcher in der Ecke stand, strahlte eine angenehme Wärme aus.
    Der Förster gab dem Fremden die Hand und meinte in seiner biederen, treuherzigen Weise:
    »Willkommen also, Herr! Legen Sie das Pelzwerk ab, und machen Sie es sich bequem! Mutter, hast Du mir meine Suppe aufgehoben?«
    »Wie sollte ich nicht,« antwortete sie, indem sie geschäftig nach dem Ofen eilte. »Du siehst ja die Schüssel, den Teller und den Löffel dort auf dem Tische!«
    »Aber halt! Langt sie denn für uns Drei?«
    Da wendete sie sich schnell um, machte ein höchst zweifelhaftes Gesicht und sagte:
    »Hm! Für Drei? Das möchte ich bezweifeln!«
    Der Fremde hatte Pelz und Hut an den Nagel gehängt. Jetzt drehte er sich um und meinte lächelnd:
    »Bitte, meinetwegen keine Umstände! Ich bin nicht hungrig, und ehe ich daran denken kann, mich mit an Ihren Tisch zu setzen, muß ich mich doch erst Ihnen vorstellen, damit Sie erfahren, wer es ist, den es Ihnen so unerwartet in die Stube schneit. Gehört dieser junge Mann zu den Bewohnern Ihres Hauses?«
    »Nein. Ich bin ihm zufälliger Weise begegnet und habe nur ein Kleines mit ihm abzumachen.«
    »So besorgen Sie das vorher. Ich habe keine Eile.«
    »Das ist mir recht, denn den Eduard möchte ich nicht warten lassen. Hunger thut weh!«
    Da schlug die Försterin die Hände zusammen und fragte:
    »Hunger? Herr Jesus! Sind denn die Hauser’s in Noth?«
    »Ja, meine Alte. Setzen Sie sich nieder. Setze auch Du Dich nieder, mein Junge. Weißt Du, Bärbchen, seine Leute haben nichts zu essen und auch nichts zu feuern. Da ist in der Noth ihm der Gedanke gekommen, in diesem Wetter und bei diesem Schnee in den Wald zu gehen, um ein Wenig Holz zu holen. Der brave Junge ist aber wieder

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