Der verlorne Sohn
umgekehrt. Er hat sich doch gesagt, daß er kein Recht an dem Holze hat, und da hat er lieber frieren wollen. Was ist da zu thun, liebes Bärbchen?«
»Ja, da muß doch schleunigst geholfen werden!« antwortete die Försterin. »So brave Leute darf man doch nicht sitzen lassen. Aber, ist denn heute nicht Lohntag gewesen?«
»Der ist allerdings gewesen. Der Eduard hat sich Tag und Nacht geschunden, aber der Seidelmann, der jedenfalls irgend einen Pick auf ihn hat, hat seine Arbeit getadelt, ihm das Geld verweigert und ihn dann sogar abgelohnt. Er hat seinem Vater auch die Hypothek gekündigt. Ist das nicht ein Elend, he?«
»Ein großes sogar! Was soll da werden?«
»Der Eduard will zum Obersteiger und ihn um Beschäftigung bitten. Das wird auch nicht viel abwerfen, weil er kein gelernter Bergmann ist. Aber hier giebt es ja nichts Anderes. Der Obersteiger ist kein schlechter Kerl; er hält Etwas auf mich, und so werde ich morgen früh ein gutes Wort einlegen. Jetzt aber schütte dem Eduard die Suppe aus! Er hat’s am Nöthigsten, und ich und der Herr hier werden schon Etwas für uns finden.«
Die Försterin folgte schleunigst dieser Aufforderung. Eduard mußte sich wohl oder übel an den Tisch setzen und zulangen. Unterdessen zog der Fremde, welcher es sich in einer Weise, als ob er hier zu Hause sei, auf dem Kanapee bequem gemacht hatte, eine Cigarre heraus, welche er sich anbrannte. Er bot auch dem Förster eine an; dieser aber meinte: »Danke, Herr! Mit diesen Dingern habe ich mich nie befreunden können. Es ist, als steckte man einem Eisbären eine Nähnadel in das Maul. Ich bleibe bei meiner Pfeife. Aber, komm her, Alte! Wollen einmal sehen, was wir für den Eduard finden. Hast Du noch Brod?«
»Ich habe ja erst gestern gebacken!«
»So gieb ihm eines!«
»Nicht lieber zwei? Das eine ist ja morgen schon alle!«
»Gut, Bärbchen, gut! Hast Du Mehl?«
»Natürlich!«
»Gieb ihm ein Pfündchen oder zwei. Kaffee?«
Da machte die Försterin eine Bewegung der Ungeduld und sagte:
»Warum so einzeln aufzählen? Ich werde ihm zusammensuchen, was er braucht.«
»Schön! Wir geben ihm den Handschlitten mit. Da mag er sich Holz, Reißig und einen Sack Kohlen aufladen. Es geht ja bergein nach der Stadt; da braucht er sich nicht anzustrengen.«
Diese Unterredung war mit gedämpfter Stimme geführt worden, so daß Eduard nichts davon hörte; da aber das Sopha näher stand, hatte der Fremde jedes Wort vernommen.
Dieser machte, wie der Förster bereits draußen vor der Thür bemerkt hatte, ganz den Eindruck eines vornehmen Mannes. Er mochte über sechzig Jahre zählen und hatte graues Haar. Der Alte setzte sich an seine Seite und sagte gutmüthig: »Sie müssen schon verzeihen! Der Junge mag sich erst satt essen; dann kommen wir auch an die Reihe.«
»Sie handeln ganz nach meiner Weise. Er ist also der Sohn von braven Eltern?«
»Das will ich meinen!«
Und nun machte der Förster den Fremden in gedämpftem Tone mit den Verhältnissen der Familie Hauser bekannt. Dabei kam natürlich der Name Seidelmann öfter in Erwähnung, und der Förster mußte auch über die letztere Familie Auskunft geben. Er war in Wärme gerathen; er schilderte die Noth ebenso beredt wie die Geschäftspraxis der Arbeitsgeber. Der Fremde hörte ihm mit ungewöhnlicher Aufmerksamkeit zu.
Da legte Eduard den Löffel weg. Das bewog den Förster, abzubrechen. Er stand auf und sagte:
»Na, komm einmal hinaus, mein Junge! Wir wollen sehen, was meine alte Barbara für Düten zusammengefunden hat!«
Eduard griff nach seiner Kopfbedeckung und nach seiner Säge, welche er neben sich liegen hatte und bot dem Fremden eine gute Nacht. Dieser aber trat rasch auf ihn zu und sagte: »Der Förster hat mir von Ihnen erzählt. Können Sie verschwiegen sein?«
»Wenn es sich um nichts Böses handelt, ja,« antwortete der junge Mann, sichtlich verwundert über die eigenthümliche Frage.
»So nehmen Sie hier dies Beides! Das Eine ist der Betrag Ihrer Schuld an Seidelmann, und das Andere soll speziell für Sie sein, weil Sie der Versuchung so tapfer widerstanden haben.«
Er zog seine Börse hervor, in welcher sich nur Goldstücke zu befinden schienen, griff zwei Mal hinein und drückte Eduard erst in die Rechte und dann auch in die Linke eine Anzahl dieser Stücke.
Der junge Mann vergaß vor freudigem Schreck, die geöffneten Hände zu schließen. Der Förster sah das Geld und rief:
»Herr, mein Heiland! Ist das Spaß oder Ernst, Herr?«
»Mein voller
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