Der verlorne Sohn
die Ohren klingen.«
»Ah, da fällt mir ein: Wohnt nicht auch der Baron von Helfenstein dort, dem das hiesige Kohlenbergwerk gehört?«
»Ja, er und die Baronin, welche früher Kammermädchen war.«
»Kommt er zuweilen nach hier?«
»Sehr oft sogar.«
»Zu regelmäßigen Zeiten?«
»Nein. Er ist zuweilen längere Zeit abwesend, zuweilen sieht man ihn alle Wochen hier, aber nur kurze Zeit.«
»Und drüben in Helfenstein, auf Schloß Hirschenau? Ist er auch da zuweilen zu sehen?«
»Gewiß! Ebenso oft wie hier. Ich wollte, der Teufel holte ihn! Er war damals auch nicht rein in der Wäsche, als der junge Brandt eingesperrt wurde.«
»Darüber läßt sich nichts sagen! Aber, kann man denn nicht in Erfahrung bringen, in welcher Gegend der Pascherkönig am Liebsten sein Wesen treibt?«
»Eben gerade zwischen hier und Helfenstein. Er scheint auf den Baron auch nicht sehr gut zu sprechen zu sein, da er gerade dessen Gebiet so unsicher macht.«
Es war ein sehr eigenthümliches Lächeln, welches jetzt die Lippen Arndt’s umspielte. Doch fragte er ruhig weiter:
»Ich hörte auf der letzten Station, daß vorigen Abend wieder ein Verbrechen verübt worden ist?«
»Ein Grenzoffizier ist erschossen worden, jedenfalls von einem Schmuggler, von einem Untergebenen des Waldkönigs.«
»Hat man keine Spur entdeckt?«
»Nicht die geringste. Der Wind hat Alles verweht. Ich selbst war ja dabei. Wir haben nach Kräften gesucht. Vielleicht ist es möglich, Etwas zu finden, nachdem der Frühling den Schnee fort gethaut hat. Ein fürchterlicher Anblick, diese Leiche! Man muß sich geradezu fürchten, hier im Walde zu wohnen. Ich habe mein Leben jedenfalls nur meiner Vorsicht zu verdanken. Ich thue nämlich als Förster meine Pflicht, menge mich aber niemals in die Pascherangelegenheiten. Das ist Sache der Grenzbeamten, nicht aber die meinige.«
»Wollen Sie mir damit sagen, daß ich nicht auf Ihren Beistand rechnen kann? Meine Aufgabe gerade ist es ja, zu erforschen, wer der König ist!«
»Hm! Das habe ich nun gerade nicht gemeint! Dem Brandt thue ich schon Etwas zu Liebe. Ich stelle mich Ihnen sehr gern zur Verfügung; nur dürfen Sie nicht verlangen, daß ich mich blindlings der Gefahr aussetzen soll!«
»Das fällt mir gar nicht ein. Ihre Hilfe soll vielmehr eine ganz und gar heimliche sein. Es darf ja auch von mir kein Mensch ahnen, weshalb ich mich hier befinde.«
»Das beruhigt mich. Aber auf welche Weise wollen Sie denn eine Spur des Pascherkönigs entdecken?«
»Darüber bin ich mir selbst noch nicht klar. Ich muß erst recognosciren, um mir ein Urtheil zu bilden. Gesehen hat ihn Niemand?«
»O doch! Aber man weiß, daß auch ein Jeder, der nicht sein Untergebener ist, sterben muß, unbedingt sterben, wenn er ein Wort über so ein zufälliges Zusammentreffen verliert. Dennoch aber sagt man sich heimlich, der Pascherkönig sei ein langer, schmächtiger Mann, und seine Kleidung bestehe aus einer kurzen, eng anliegenden Jacke, einem breitkrämpigen Hute, einer Maske über dem Gesicht und langen Stiefeln, in deren Schäften die Hosen stecken. Um den Leib hat er einen Gurt, in welchem Messer und Revolver stecken, und ohne Flinte ist er nicht zu treffen.«
»Diese Kleidung hat nichts Ungewöhnliches; man trägt sie hier fast allgemein. Na, ich werde sehen!«
»Und ich wünsche Ihnen Glück, zweifle aber am Gelingen!«
»Warum?«
Der Förster überflog Arndt’s Gestalt mit einem prüfenden Blicke und antwortete dann:
»Sie sind sehr kräftig gebaut und scheinen in Ihrer Jugend gewandt und beweglich gewesen zu sein. Bei Ihrem jetzigen Alter und bei der gegenwärtigen Witterung können Sie den Mühen und Gefahren nicht gewachsen sein, denen Sie sich unterwerfen müßten, um den König zu fangen. Man hat die ganze Gegend mit Militair besetzt – ohne den geringsten Erfolg. Werden Sie als Einzelner glücklicher sein?«
»Mein lieber Herr Förster, die rohe Gewalt thut es am Allerwenigsten. Ich weiß nicht, ob ich mich vor dem Waldkönige Mann gegen Mann zu fürchten hätte; auch kann ich nicht sagen, ob ich ihm, der doch jedenfalls eine große Portion Verschlagenheit besitzt, an List gewachsen bin, aber versucht muß es doch werden. Einen großen Vortheil aber habe ich vor ihm voraus.«
»Wirklich? Und der wäre?«
»Ich weiß, daß ich ihn suche, er dagegen hat keine Ahnung von meiner Absicht; das ist ein großer Vortheil.«
»Vielleicht auch nicht. Wie viele in der Residenz wissen, daß sie den Fürsten des
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