Der verlorne Sohn
flüstere ich Ihnen – na, was denn zu? Hm!«
»Halt! Ich weiß was!« meinte der Förster.
»Nun?«
»Der Fürst des Elendes ist mein Liebling. Flüstern sie mir das zu, wenn ich Sie erkennen soll!«
»Gut! Auch mir ist das von Interesse, vielleicht mehr noch, als Sie denken. Aber es kann auch der Fall eintreten, daß wir im Dunkel uns von Weitem einander zu erkennen geben müssen. Da wird es am Besten sein, der Eine ruft ›der Fürst!‹ und der Andere ›des Elendes!‹ Sind Sie damit einverstanden?«
»Natürlich! Das klingt grad wie in einem Romane, aber es kann unter Umständen ganz praktisch sein.«
»Das ist’s, was wir zunächst zu besprechen hatten. Hinzufügen will ich noch – o weh, ich habe ja noch gar nicht bestimmt gefragt, ob ich bei Ihnen wohnen bleiben kann.«
»Natürlich!« antwortete Frau Barbara sogleich.
»Das versteht sich ganz von selbst!« stimmte der Förster bei. »Mein Freund hat Sie geschickt; Sie arbeiten für eine gute Sache, für welche ich mich persönlich auf das Lebhafteste interessire, und endlich hat Ihr jetziges Gesicht, welches Sie Ihr natürliches, Ihr eigentliches nennen, so ein Etwas, was mich anspricht. Ich kann es nicht herausfinden und erklären, aber es ist mir ganz so, als hätten wir uns schon seit langer Zeit gekannt.«
»So geht es Einem zuweilen, mein lieber Vetter. So werden wir uns nämlich stets nennen müssen, mögen wir nun allein oder in Gesellschaft sein.«
»Aber was sind Sie denn, wenn man mich fragt?«
»Ich bin früher nach Amerika gegangen, habe dort mein Glück gemacht und besuche Sie auf einige Zeit. Früher bin ich Försterbursche gewesen!«
»Aber ich werde Sie bei der Behörde anzumelden haben!«
»Das besorge ich selbst. Ich werde Sorge tragen, daß mir weder die Polizei noch die Grenzbeamten Etwas in den Weg legen.«
»Werden Sie das fertig bringen?«
»Als Geheimpolizist habe ich meine Legitimationen, und außerdem stehe ich unter einem hohen Schutze. Eigentlich hat der Fürst des Elendes in diese Gegend mich gesandt.«
Da schlug der alte Förster vor Verwunderung die eine Hand in die andere und rief:
»Der Fürst? Der hat Sie gesandt? Herr – Herr – Herr Vetter, Sie sind, hole mich der Kukuk, ein ganz außerordentlicher Kerl; das habe ich längst bemerkt; jetzt aber steht mir all mein Verstand stille! Haben Sie denn mit ihm gesprochen?«
»Ja, freilich!« nickte Arndt.
»Und ihn also auch gesehen?«
»Natürlich!«
»Hat er Ihnen vielleicht gesagt, wer er ist?«
»Nein, gerade das hat er nicht gethan. Vielleicht hat er gedacht, daß ich es weiß, ohne daß er es mir sagt. Doch genug hiervon! Ich muß Ihnen nur noch bemerken, daß ich keine pekuniären Opfer fordere. Ich werde Alles bezahlen.«
»Das fehlte noch! Einer den mir mein Freund Brandt schickt! Einer, der mit dem Fürsten des Elendes gesprochen und ihn sogar gesehen hat! Und mich bezahlen! Viel eher schlägt das Wetter drein, ehe ich einen Kreuzer nehme! Ich bin ein armer Teufel, aber zu hungern brauche ich nicht. Sie kriegen, was wir selbst haben. Wer mehr giebt, als er hat, der ist ein Schuft, und das bin ich nicht. Abgemacht!«
»Gut, abgemacht, und das Uebrige vorbehalten! Hier meine Hand! Die Frau Muhme mag jetzt sehen, ob sie Etwas zu essen für uns findet; Sie aber, Herr Vetter, zeigen mir einmal das Stübchen, in welchem meine Koffer bereits sind!«
»Schön! Kommen Sie! Vornehm sind wir nicht eingerichtet; aber ein Bett werden Sie haben, einen Tisch, einen Stuhl, einen Spiegel und sogar einen Stiefelknecht. Den habe ich selber aus einem birkenen Zwiesel geschnitten.«
Er führte ihn nach dem Giebelstübchen, welches eine Treppe hoch lag. Draußen war der Mond aufgegangen, und der Schneefall hatte fast gänzlich aufgehört. Der Förster trat an das kleine Fenster, deutete nach dem Walde und fragte: »Sehen Sie da drüben die drei Riesentannen stehen?«
»Jawohl sehe ich sie.«
»Nahe bei der mittleren hat der ermordete Grenzer gelegen.«
»Das ist ja gar nicht weit von hier!«
»Ganz und gar nicht. Wollen wir morgen Vormittag einmal zusammen hingehen?«
»Auch ich wollte diese Frage aussprechen. Wir gehen, und Sie haben die Güte, mir an Ort und Stelle Alles ausführlich zu berichten. Vielleicht komme ich auf eine Idee. Sie müssen nämlich wissen, daß eine gute Idee oft mehr werth ist, als eine vollendete materielle Thatsache.« –Unterdessen hatte Eduard Hauser seinen Heimweg beendet. Bei dem Gedanken an die Seinigen schlug ihm das Herz
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