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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vor Freude. Einen Schlitten voll Holz und Kohlen; oben darauf einen großen Korb voll Eßwaaren und allerlei Küchennothwendigkeiten. Das waren Dinge, welche zu erlangen ihm vor einer Stunde noch als unmöglich erschienen war. Und jetzt!
    Die Straße führte bergab. Er stellte sich hinten auf die Kuffen und ließ den Schlitten laufen, indem er ihn dadurch lenkte, daß er zuweilen mit dem betreffenden Fuße den Boden berührte. So gelangte er sehr bald in die Nähe des Städtchens, wo der Weg sich wieder hob und er sich also vorspannen mußte. Aber diese Arbeit wurde ihm leicht.
    Vor der Thür des Elternhäuschens hielt er an, ließ den Schlitten einstweilen stehen und begab sich nach der Wohnstube. Bereits vor der Thür hörte er die Stimme des Vaters:
    »Kein Leiden kommt von ungefähr;
    Die Hand des Höchsten schickt es her;
    Sein Rath hat’s so ersehen.
    Drum sei nur still
    Und was Gott will,
    Laß immer gern geschehen!«
     
    Als er die Thür öffnete, wehte ihm eine Luft entgegen, welche ihm noch eisiger als die äußere zu sein schien. Die Seinigen saßen zusammengedrängt um den Tisch, um sich an einander zu erwärmen. Bei dem Ofen kniete – Engelchen, bemüht, mittels einiger Scheitchen Holz ein ärmliches Feuer anzufachen.
    »Er kommt! Er ist da!«riefen die kleinen Geschwister.
    »Ja, da ist er! Gott sei Dank!« sagte die Mutter, der es anzusehen war, daß sie Angst um ihn ausgestanden hatte.
    Angelica erhob sich von der Diele und fragte ihn:
    »Aber Eduard, wo bist Du denn gewesen? Wir Alle haben Sorge um Dich gehabt. Du warst fort, bei diesem Wetter!«
    »Und ob ich schon wandle im finsteren Thale, so fürchte ich kein Unglück,« recitirte der Vater; »denn Du bist bei mir; Dein Stecken und Stab trösten mich!«
    Eduard rieb sich, ohne auf die einzelnen Fragen, welche man an ihn richtete, einzugehen, die Hände und sagte: »Wie kalt! Habt Ihr kein Feuer gehabt?«
    »Ein Bischen nur,« antwortete die Mutter.
    »Hat Euch der Nachbar nicht ausgeholfen?«
    »Fünf Scheitchen Holz hat er uns geborgt. Mehr könnte er nicht thun, sagte er, da er mit seinem Vorrathe noch bis zum Ende des Winters reichen müsse.«
    »Und Kohlen?«
    »Gar keine. Er hatte selbst nur wenig.«
    Die arme Frau sagte das mit großer Bitterkeit.
    »Ja,« erklärte Engelchen, »der Vater war nicht gut gegen den Deinigen, Eduard. Ich weiß nicht, was ihm so plötzlich in den Kopf gefahren ist.«
    »Habt Ihr Kartoffeln gekocht und gegessen?« erkundigte sich der junge Mann weiter.
    »Nein. Mit den paar Spaltchen Holz brachten wir ja nicht einmal das Wasser warm!«
    »Herrgott! Ihr habt gehungert, und ich habe zu Abend gegessen wie ein König!«
    »Was denn, was denn?« fragten die Geschwister begierig.
    »Graupensuppe, eine ganze große Schüssel voll!«
    »Wo denn?«
    »Bei – oh, da stehe ich und rede, während Ihr friert. Wartet, Ihr sollt sogleich eine warme Stube haben!«
    Er eilte hinaus und holte erst den mit Eßwaaren gefüllten Korb herein.
    »Hier, Mutter, ist etwas gegen den Hunger. Theile aus!«
    Nach diesen Worten ging er wieder, um das Holz und die Kohlen abzuladen und in das Gewölbe zu schaffen. Er nahm davon so viel, als er für heute zu brauchen meinte, und kehrte damit in die Stube zurück, wo ihn ein Anblick erwartete, von dem sich nur sehr schwer sagen ließ, ob er zum Entzücken oder zum Erbarmen sei.
    Der Hunger lag auf allen Gesichtern, aber auch die Freude leuchtete aus allen Augen. Mutter und Kinder starrten mit glänzenden Blicken auf die Vorräthe, und der Vater saß mit gefalteten Händen dabei und betete:
    »Nun danket alle Gott
    Mit Herzen, Mund und Händen,
    Der große Dinge thut
    An uns und allen Enden!«
     
    Dann erst, als er seinem frommen Herzen Genüge gethan hatte, wendete er sich an Eduard mit der Frage:
    »Mein Sohn, sage, wer uns diese Freude bereitet!«
    »Der alte Förster Wunderlich,« antwortete der Gefragte.
    »Gott segne den braven Mann und seine wohlthätige Frau! Aber wie bist Du denn zu ihm gekommen? Erzähle es!«
    »Jetzt nicht, Vater! Komm, Engelchen, hilf mir! Hier ist Holz, und da sind Kohlen. Wir müssen vor allen Dingen anfeuern, damit es warm wird. Mutter gieb den Kleinen einstweilen etwas. Im Korbe ist auch Kaffee. Wir kochen welchen!«
    »Kaffee, Kaffee!« jubelten die Kleinen, denen die Mutter von dem Brode vorschnitt.
    Die Lippen des Vaters zuckten vor tiefer Bewegung. Als sich der erste Freudensturm gelegt hatte und die Kleinen mit ihren Brodschnitten beschäftigt waren,

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