Der verlorne Sohn
ah, von Denen, die Sie suchen, für eine Meinung? Zerrissene Kleider und das Gesicht voller Bart? Unsinn! Es sind die feinsten und zartesten Leute darunter.«
Da rückte der Fremde näher und sagte:
»Sie scheinen unterrichtet zu sein?«
»Hm!«
»Würden Sie mir Vertrauen schenken?«
»Hm!«
»Sakkerment! Mit diesen Ihren Antworten komme ich nicht von der Stelle!«
»Ja. Aber Sie sind vorsichtig, und da muß ich es auch sein. Soll die Waare herüber oder hinüber?«
»Herüber.«
»Ist’s viel?«
»Viel und kostbar.«
»Ei, ei! Sie sehen mir gar nicht so verwegen und riskant aus. Sie scheinen eher ein Dorfschulmeister als ein Kaufmann zu sein.«
»Jeder ganz so, wie ihn der liebe Gott erschaffen hat.«
»Freilich, gegen sein Gesicht und seine Figur kann kein Mensch. Aber Den, mit dem Sie reden wollen, werden Sie wohl nicht gleich treffen.«
»Warum nicht?«
»Es kennt ihn Keiner.«
»Aber seine Leute müssen ihn doch kennen?«
»Nein, auch nicht. Man sagt, daß sie ihn des Nachts an einem Worte erkennen. Sein Gesicht aber hat noch Keiner gesehen.«
»Sakkerment! Wer dieses Wort wüßte!«
»Die Mitglieder wissen es alle.«
»Was nützt mir das?«
»Auch das Wort würde Ihnen nichts nützen, wenn Sie ihn nicht selbst treffen!«
»Aber wie wäre er zu treffen?«
»Zunächst trifft man Einen seiner Leute. Dieser besorgt alles Uebrige.«
»Gut! Da brauchte man ja blos zu wissen, auf welche Weise oder an welchem Orte man mit einem solchen Manne sich begegnen könnte.«
Der Wirth kniff die Augen abermals zusammen, machte ein höchst pfiffiges Gesicht und antwortete:
»Vielleicht sind Sie Einem begegnet, ohne es zu wissen.«
»Das ist allerdings möglich.«
»Oder Sie haben bei Einem gesessen, ohne ihn für einen Eingeweihten zu halten.«
»Hm! Auch das könnte sein. Ich müßte nicht mit ihm gesprochen haben. Hätte ich mich aber mit ihm unterhalten, so hätte ich sicher geahnt, wer oder vielmehr was er ist.«
»Wären Sie wirklich so scharfsinnig? Sie sehen mir gar nicht so gewitzt aus!«
»Versuchen Sie es!«
»Nun, was zum Beispiele denken Sie von mir? Mich halten Sie doch nicht etwa für einen Pascher?«
»Direct für einen Schmuggler allerdings nicht.«
»Was soll das heißen? Giebt es etwa auch indirecte Schmuggler?«
»Natürlich! Jeder Eingeweihte, jeder Hehler ist ein solcher.«
»Donnerwetter! So halten Sie mich für einen Hehler?«
»Ja.«
»Herr, soll ich Sie hinauswerfen?«
Aber sein Gesicht hatte gar nicht etwa ein so sehr grimmiges Aussehen. Er schien vielmehr ganz befriedigt über die Ansicht zu sein, welche der Fremde von ihm hatte. Dieser nickte ihm freundlich zu und antwortete: »Das werden Sie bleiben lassen!«
»Oho! Was Sie sagten, ist eine Beleidigung.«
»Ganz das Gegentheil! Ein Hehler muß ein gescheidter Kerl sein. Aber sagen Sie doch, mein Bester, auf welche Weise kommt man doch am Besten zum Ziele?«
»Auf die jetzige Weise.«
»Ah, wir verstehen uns also?«
»Gewiß! Ein Unterschied ist es natürlich, in welcher Art man sich am Geschäft betheiligen will. Wer Träger werden will, hat andere Maßregeln zu ergreifen, als wer die Waaren liefern oder empfangen will. Sie beabsichtigen also, Lieferant zu werden?«
»Ja.«
»Nun, dann müssen Sie sich an irgend ein Mitglied wenden, welches Ihnen zuerst in den Weg kommt. Dieser Mann wird Sie dann melden.«
»So müßte ich meinen Namen sagen?«
»Ja oder nein! Es kommt das auf Umstände an.«
»Darf ich diese Umstände kennen lernen?«
»Ja, natürlich! Sie sagen, daß die Sendung kostbar sei, welche Sie beabsichtigen?«
»Ja.«
»Wie hoch?«
»Fünftausend Gulden?«
»Hm! Der Mann, welcher Sie meldet, hat für Sie gut zu sagen, hat für Sie Bürge zu sein. Er muß Sie entweder persönlich kennen; er muß also Ihren Namen wissen, oder Sie müssen, wenn Sie den verschweigen wollen, eine Caution erlegen.«
»Wie hoch ist diese?«
»Den zehnten Theil der ersten Sendung haben Sie zu bezahlen.«
»Das wären also fünfhundert Gulden?«
»Ja.«
»Sie sind eingeweiht. Wollen Sie mich melden?«
»Wollen Sie mir Ihren Namen sagen?«
»Nein.«
»Oder wollen Sie die fünfhundert Gulden erlegen?«
»Ja. Natürlich aber werden Sie mir zunächst beweisen, daß Sie wirklich Mitglied sind.«
»Gewiß werde ich das.«
»Wann? Ich habe keine Zeit!«
»Heute Abend. Kommen Sie Punkt zwölf Uhr an die letzte Scheune, welche an der Bergstraße steht. Nachdem Sie mir da die Summe behändigt haben, werde ich
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