Der verlorne Sohn
Sie zum Waldkönige bringen.«
»Er ist dann in der Nähe?«
»Ja. Ich werde ihn benachrichtigen.«
»Und wann erhalte ich das Geld zurück?«
»Sobald Ihre Sendung in die Hände der Unsrigen gelangt.«
»Gut, so sind wir einig. Ich werde jetzt gehen. Hier ist das Geld für das Bier.«
Er entfernte sich. Auch der Wirth stand vom Tische auf. Er rieb sich die Hände und schritt in der Stube auf und ab.
»Donnerwetter!« kicherte er vor sich hin. »Das kam mir aber gelegen! Die Gnädige schreibt mir, daß ein Geheimer kommen werde, um nach dem Pascherkönig zu forschen. Ich soll ihn unterstützen. Ich wußte gar nicht, wie ich das anfangen könne, und da bringt mir der Zufall einen Menschen, der mit den Paschern ein Geschäft machen will. Ihn brauche ich als Lockspeise. Sie sollen denken, daß ich das Geschäft mache; er aber bleibt im Hintergrunde. Nun kann der Geheime kommen.«
Er hatte kaum diese Worte gesagt, so ging die Thür auf, und es trat ein Mann ein, den er in seinem Leben noch gar nicht gesehen hatte. Er trug einen grauen Anzug und eine ebensolche Wintermütze. Einen Ueberzieher hatte er am Arme hängen. Er hatte blondes Haar und einen eben solchen Schnurrbart.
»Willkommen, mein Herr!« sagte der Wirth. »Was wünschen Sie?«
»Ein Glas Grog,« antwortete der Fremde mit tiefer Baßstimme, indem er Ueberzieher und Mütze an den Nagel hängte und sich dann plazirte.
Der Wirth eilte fort, und da heißes Wasser vorhanden war, so brachte er den Grog in kürzester Zeit. Der Fremde schlürfte wie ein Kenner von dem Getränk und fragte dann: »Ist heute vielleicht ein Mann bei Ihnen gewesen, welcher eine blaue Brille trug?«
»Ja, mein Herr.«
»Schwarzen Anzug?«
»Jawohl.«
»Er war nicht ganz meine Statur und hatte beinahe das Aussehen eines Schulmeisters?«
»Ja, das stimmt auffällig.«
»Was wollte er hier?«
»Er trank ein Glas Bier.«
»Weiter beabsichtigte er nichts?«
»Nein.«
»Wirth, Sie lügen!«
Der Wirth erschrak. Er trat einen Schritt zurück und sagte:
»Herr, wie kommen Sie zu der Ansicht?«
»Weil Sie ganz genau wissen, daß dieser Mann ein Geschäft im Betrage von fünftausend Gulden mit dem Pascherkönig machen wollte. Ist es nicht so?«
Der Wirth mußte sich sehr zusammen nehmen, um seinen Schreck zu verbergen.
»Ich weiß wirklich kein Wort davon!«
»Nun, so werde ich die Sache untersuchen!«
Er ließ seinen Grog stehen, griff nach Ueberrock und Mütze und ging schnell fort. Der Wirth trat an das Fenster, um zu sehen, wohin er gehe, bemerkte ihn aber nicht.
»Er ist nach rechts hinunter,« sagte er sich. »Wer mag er gewesen sein? Etwa ein Bekannter von dem Gesuchten? Hm! Er sprach aber doch davon, daß er die Sache untersuchen wolle! Donnerwetter! Es wird doch nicht etwa gar ein Grenzer in Civil gewesen sein? Ich muß hinaus an die Thür, um ihn noch zu erblicken. Ich muß wissen, wohin er geht!«
Er wollte eiligst die Stube verlassen, aber da öffnete sich die Thür und Der mit der blauen Brille trat ein.
»Ah, Sie wieder?« fragte der Wirth ganz betreten. »Warum kommen Sie zurück?«
»Weil ich Etwas vergessen habe. Es wird nämlich ein Herr nach mir fragen.«
»Schön!«
»Er ist blond und geht ganz grau mit schwarzem Ueberzieher.«
»Donner noch einmal!«
»Was ist’s? Sie verwundern sich?«
»Natürlich!«
»Warum?«
»Er war bereits hier. Soeben ist er hinaus.«
»Und hat nach mir gefragt?«
»Ja. Ich habe Sie gar nicht kommen sehen. Kommen Sie von rechts herauf?«
»Ja.«
»So müssen Sie ihm unbedingt begegnet sein!«
»Ganz und gar nicht. Also soeben ist er fort?«
»Vor zwei Augenblicken erst. Ich kann wirklich nicht begreifen, daß Sie ihn nicht gesehen haben!«
»So muß ich ihm sogleich nach. Adieu!«
»Halt! Wenn Sie ihn nun nicht treffen, und er kommt wieder, was soll ich ihm da sagen?«
»Daß er sich den Teufel um mich zu bekümmern hat! Adieu!«
Bei diesem Gruße eilte er zur Thüre hinaus.
»Den Teufel um ihn bekümmern!« brummte der Wirth. »Jedenfalls sind es keine guten Freunde. Ich will einmal sehen, wo er hinläuft.«
Er ging hinaus vor das Hausthor. Er blickte nach rechts und nach links, konnte aber keinen Menschen sehen.
»Der muß außerordentlich gelaufen sein, daß er bereits um die Ecke ist,« brummte er und kehrte nach dem Zimmer zurück. »Da steht noch der Grog. Schade darum, wenn er kalt wird; ich werde ihn trinken.«
Er hob das Glas bereits an den Mund, da aber rief es hinter ihm:
»Halt! Mein Grog!
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