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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Es ist nur gut, daß ich ihn ganz und gar nicht zu fürchten brauche.«
    »Etwa, weil Du stärker bist als er?«
    »Das nicht. Gegen Schlechtigkeit und List hilft keine Körperkraft. Aber ich stehe unter einem mächtigen Schutze.«
    »Gottes?«
    »Ja, aber auch unter einem anderen.«
    »Welcher wäre das?«
    »Das bringt mich auf das zurück, was ich vorhin sagen wollte, als ich meinte, daß Gott Euch helfen werde, wenn Ihr keine Arbeit bekommt. Seidelmann hat mir die Arbeit genommen und mich um den Lohn betrogen. Er dachte, ich sollte in Noth und Elend gerathen; aber gerade dieses Unglück ist mir zum Glück gewesen. Der Förster hat uns gespeist, und dann hat sich auch noch ein Anderer unser erbarmt.«
    »Wer denn, lieber Eduard?«
    »Denke an Beyer’s Kinder.«
    »Wieso?«
    »Wer hat für sie bezahlt?«
    »Der Fürst des Elendes.«
    »Wer hat dem Herrn Pfarrer befohlen, sie zu uns zu thun?«
    »Auch der Fürst.«
    »Nun, dieser ist mein Beschützer.«
    »Gott! Kennst Du ihn etwa?«
    »Nein. Ich sollte eigentlich kein Wort verrathen; aber Ihr kommt wohl sehr bald in die Lage, Hilfe zu suchen, und da will ich Dir gestehen, daß ich Einen kenne, welcher ein Diener des Fürsten des Elendes ist«
    »Wirklich? Eduard, ich erstaune! Wer ist dieser Mann, dieser Diener des Fürsten?«
    »Das ist auch mir unbekannt.«
    »Wo hält er sich auf?«
    »Das darf ich nicht verrathen.«
    »Aber Du kommst mit ihm zurück; Du sprichst mit ihm?«
    »Ja. Die Noth, in welche mich Seidelmann stürzen wollte, hat ein Ende genommen, ehe sie nur zum Anfang kam. Auch ich stehe im Dienste des Fürsten des Elendes und beziehe einen so schönen Gehalt, daß ich leben kann wie ein Graf.«
    »Herrgott! Ist das wahr?«
    »Gewiß! Siehst Du, liebes Engelchen, wir lieben uns, und Du willst mein Weibchen werden. Da kann ich es wohl wagen, Dir diese Mittheilung zu machen, damit Du keine Sorge um mich und auch um Euch zu haben brauchst.«
    »Das ist recht von Dir. Nun sehe ich, daß Du mich wirklich lieb hast. Aber ich darf wohl nicht davon sprechen?«
    »Zu keinem Menschen.«
    »Auch nicht zu den Eltern?«
    »Auch zu ihnen nicht. Willst Du es mir mit der Hand versprechen?«
    »Ja; hier ist die Hand! So brauchst Du wohl für die Zukunft keine Sorge mehr zu tragen?«
    »Nein. Wenn mir das gelingt, was wir jetzt vorhaben, so bin ich sicher, daß der Fürst des Elendes für mich sorgen wird.«
    »Was wollt ihr thun?«
    »Einen fangen.«
    »Wen?«
    »Hm! Darüber muß ich allerdings schweigen.«
    »Ich errathe es aber. Herrgott, wenn es wahr wäre, was ich ahne! Ich hätte Tag und Nacht keine Ruhe mehr.«
    »Warum?«
    »Weil Derjenige, den ihr fangen wollt, so gar gefährlich ist.«
    »Du wirst falsch rathen.«
    »Nicht doch! Ist’s nicht der Waldkönig? Wen gäbe es sonst in dieser Gegend, der zu fangen wäre.«
    Sie hatte das Richtige getroffen; er aber beschloß, um sie zu beruhigen, lieber eine Unwahrheit zu sagen:
    »Du irrst. Wir wollen den Bormann fangen, der gestern entflohen ist.«
    »Gott sei Dank! Da brauche ich keine Angst zu haben. Der Bormann wird längst über alle Berge sein.«
    »Das befürchte ich auch. Hast Du heute gehört, daß auch der Schreiber Beyer gestorben ist?«
    »Ja. Das ist ein großes, ein fürchterliches Elend! Und daran ist der Seidelmann schuld. Die beiden Todten werden mit einander begraben und neben einander in ein Doppelgrab gelegt.«
    »Gehst Du mit zu Grabe?«
    »Ja. Es wird ein großer Trauerzug werden, obgleich die Leute so arm gewesen sind. Und Du?«
    »Ich gehe auch mit, wenn ich Zeit habe.«
    »Du arbeitest ja nicht.«
    »Aber ich muß meinem geheimen Herrn zu jeder Zeit zur Verfügung stehen. Also, Du denkst, daß Dein Vater mir nicht bös sein wird, daß ich Dir heute gegen Seidelmann beigestanden habe?«
    »Er wird Dir sogar dankbar sein, wenn ich ihm erzähle, was geschehen ist. Vielleicht erlaubt er Dir dann, wieder zu uns in die Stube zu kommen.«
    »Das wäre mir so sehr lieb! Aber merkst Du, daß Du frierst?«
    »Nein, lieber Eduard.«
    »Aber ich habe es jetzt bemerkt. Es wird besser sein, daß ich gehe.«
    »Jetzt noch nicht. Erst mußt Du noch einmal mit in die Stube kommen.«
    »Warum?«
    »Das sage ich Dir, wenn wir drin sind.«
    »Kannst Du hinein? Hast Du den Schlüssel?«
    »Mutter wollte ihn legen. Ich finde ihn sogleich.«
    Sie stand von der Bank auf, und dann hörte Eduard das leise Klirren des Schlüssels im Schlosse.
    »Komm!« flüsterte dann das Mädchen.
    Er folgte ihr in die Stube, in

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