Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
daß er mir gut sei und mich heirathen wolle.«
    »Da meinst Du wohl, ich hasse Dich und mag Nichts von Dir wissen?«
    »Ja.«
    »Nun, so komm, mein Engelchen! Lege Dein Köpfchen einmal hierher an mein Herz! Darf ich meine Arme um Dich legen?«
    »Ja, thue es, lieber Eduard!«
    »So! Und nun will ich Dir sagen, daß Du mir lieb bist über Alles, Alles, was sich nur denken läßt! Erst kommt der liebe Gott, und dann kommt – mein Vater und meine Mutter etwa? Das kann ich doch nicht sagen. Ich glaube, wenn ich so recht in meine Seele blicke, da kommst Du gleich nach dem lieben Gott. Ich bin kein Dichter und kein erfahrener Mädchenjäger. Ich kann nicht schöne Worte machen; aber wenn ich einmal für Dich sterben soll, da sage es getrost; ich thue es auf der Stelle!«
    Es war eine kleine Weile still; dann ließ sich Engelchens Stimme hören, vor Freude zitternd:
    »Eduard, ist das denn auch wahr?«
    »Ja, wahr ist’s; der Himmel weiß es!«
    »Dann habe ich doppelt Unrecht an Dir gethan. Auch ich habe Dich recht, recht sehr lieb, wie sehr, das habe ich gar nicht gewußt. Aber, hörst Du, da habe ich gedacht, daß ich ein hübsches Mädchen bin und daß der Vater reicher ist, als Ihr. Das war Beides eine Sünde gegen Dich und Euch. Aber heute habe ich eingesehen, was für ein böses Ding ich da gewesen bin, so ganz voller Stolz, Hochmuth und Hoffärtigkeit.«
    »Ja, so ähnlich ist’s gewesen. Der Mensch soll sich nicht besser und sicherer dünken, als er ist. Aber, Engelchen, hübsch bist Du, sehr hübsch, und Euer Häuschen ist allerdings mehr werth, als unsere Hütte. Was wahr ist, das darf man auch nicht leugnen.«
    Wie thaten ihr diese einfachen Worte doch so sehr wohl. Sie schlang ihre Arme um ihn, schmiegte sich eng an ihn und fragte: »Ist das Dein Ernst? Bin ich wirklich nicht häßlich?«
    »Nein. In dieser dummen Kleidung habe ich erst gesehen, daß Du sogar schön bist, Engelchen.«
    »Das freut mich, Eduard; aber es freut mich nicht aus Hochmuth und Eitelkeit, sondern weil ich Dein sein werde.«
    »So ist’s recht, mein liebes, liebes Mädchen! Schau, als ich Dich zum ersten Male in diesem Anzuge sah, da war ich ganz erstaunt über Dich; daß Du so schön sein könntest, hatte ich gar nicht gedacht. Und daher hat der Gedanke, daß Du nicht mir, sondern einem Anderen gehören solltest, mir schier das Herz zerrissen!«
    »Nun aber ist’s wohl wieder heil?«
    »Ja, wenn Du mir von Herzen gut sein willst.«
    »Sehr gut, o, wie so gut, lieber Eduard!«
    »Und dann später – willst Du da mein Weibchen sein?«
    »Ich werde den lieben Gott täglich bitten, daß er mir dieses Glück nicht versagen möge!«
    »Ist es wirklich ein Glück für Dich?«
    »Ein großes, ein sehr großes!«
    »Trotzdem Du so hübsch bist und auch reicher als ich?«
    »Geh! Sei nicht hart! Bist Du etwa häßlich? Ich habe gar nicht gewußt, was für ein prächtiger Kerl Du bist. Aber als Du diesen Seidelmann mit einem Ruck zu Boden warfst, da stieg es in mir empor, so hell und so klar, daß nur Du es bist, dessen Frau ich werden mag!«
    »Was aber wird Dein Vater sagen?«
    »Habe keine Sorge! Seidelmann hat ihm den Kopf verdreht, aber er würde lieber sterben, als mich das Schicksal der Schreiberstochter erleiden lassen. Wenn ich ihm erzähle, was geschehen ist, so wird er Dir großen Dank wissen. Also, sind wir einig, Eduard?«
    »Ja, liebes Engelchen!«
    »Und wir werden uns niemals wieder betrüben?«
    »Nein. Wir wollen Gott bitten, solche Trübsal fern von uns zu halten. Aber, Engelchen, was ist denn das? Du hast mich ja umarmt?«
    »Darf ich das nicht?« fragte sie verschämt.
    »O, gar gern! Und ich, ich halte Dich so fest und innig am Herzen! Und dieser Seidelmann durfte Dich nicht anrühren!«
    »Lieber wäre ich gestorben!«
    »Aber bei mir stirbst Du nicht?«
    »Nein, nein, Du Lieber, Du Guter!« flüsterte sie.
    »So glaube ich am Ende gar, daß ich es wagen darf, Dir – hm, Dir einen Kuß zu geben! Wie?«
    »Ist das denn nothwendig?«
    »Ich halte es für sehr nothwendig. Darf ich?«
    Sie antwortete nicht; aber als er seine Lippen auf ihren Mund legte, da fühlte er einen liebevollen, warmen Gegendruck. Wie glücklich war er, dieses schöne Mädchen, und noch dazu in diesem Maskenanzuge, in seinen Armen zu halten. Es war kalt, und Engelchen war sehr decolletirt, aber sie fühlte die Kälte nicht. Sie lag ja an seinem Herzen, und er hatte das große, dicke Tuch sehr eng um sie geschlungen.
    Der Lauscher unter der Treppe

Weitere Kostenlose Bücher