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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gegenüber erwähnt hatte.
    Leider traf er Arndt nicht zu Hause an. Nur der alte Förster war da. Dieser meinte:
    »Der Vetter ist ausgegangen. Du mußt also wiederkommen, mein Junge.«
    »Hm! Lieber wäre es mir, wenn er da wäre.«
    »Ist es denn wichtig?«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    »Höre, der Vetter hat gesagt, wenn Du einmal während seiner Abwesenheit etwas sehr Nothwendiges hättest, solltest Du es mir sagen.«
    »Nun, so sehr nothwendig wird es wohl nicht sein. Ich komme morgen früh wieder.«
    »Schön. Du mußt am Besten wissen, was Du zu thun hast.«
    Jetzt nun wandte Eduard sich dem Föhrensteige zu. Zunächst strich er mitten durch den Wald, um auf den Pfad zu treffen. Unterwegs blieb er einmal stehen und blickte zu Boden.
    »Hm!« sagte er. »Pferdespuren! Hier ist man geritten. Im tiefen Walde, wo es weder Weg noch Steg giebt! Wunderbar!«
    Der Reiter war einer von Denen gewesen, welche sich nach dem Föhrensteige begeben hatten, um ihn zu fangen. Der Staatsanwalt hatte kluger Weise den Befehl gegeben, den Weg zu vermeiden, damit keine Hufspuren im Schnee entstehen könnten, durch welche der Verfolgte aufmerksam werden dürfte.
    Als er den Weg erreichte, brach die Dunkelheit herein. Er kannte den Weg und schritt rüstig weiter. Nach einiger Zeit vernahm er das Rauschen des Waldbaches, dessen Wasser unter der Eisdecke rasch dahinschoß.
    Er ging jetzt langsamer, weil die Brücke sehr schmal, also gefährlich war. Sie bestand nur aus einem Baumstamme, den man roh behauen und dann von einem Ufer nach dem anderen gelegt hatte. Der Stamm war glatt vom Eis. Es war nicht ungefährlich, ihn jetzt während der Nacht zu passiren. Darum setzte er nur höchst langsam und vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Er hatte die Mitte erreicht. Da scholl es ihm mit lauter Stimme entgegen:»Halt! Wer da?«
    Er erschrak. Darum vergingen einige Augenblicke, ehe er sich besann, um zu antworten:
    »Gut Freund!«
    »Was Gut Freund! Den Namen!«
    Den Namen durfte er nicht sagen. Er durfte sich ja gar nicht ergreifen lassen. Kein Mensch durfte die Schriften sehen, die ihm der Fürst des Elendes anvertraut hatte.
    »Warum?« fragte er, um Zeit zu gewinnen.
    »Weil ich es befehle, Bursche! Na, wird’s bald?«
    Er hörte das Klirren von Waffen. Das waren Grenzer. Die durften ihn nicht haben. Er schritt also so schnell wie möglich rückwärts.
    »Halt!« tönte es ihm auch da entgegen. »Wer da?«
    »Gut Freund!« antwortete er auch jetzt.
    »So bleib stehen und rühre Dich nicht.«
    Es traten Männer zwischen den Bäumen hervor. Vor sich Leute und hinter sich Leute – und er auf der Brücke. Sollte er sich ergreifen lassen? Nein und tausendmal nein! Er dachte an Arndt, seinen Wohlthäter, an den Fürsten des Elendes, für den er jetzt das Wagniß unternahm. Er holte aus, ein Anlauf vollends über die Brücke hinüber – ein gewaltiger Sprung mitten unter die Leute hinein – ein kräftiges Ausschlagen mit beiden Fäusten – er war hindurch.
    »Feuer!« ertönte es hinter ihm.
    Mehrere Schüsse krachten. Es war ihm, als würde er am Arme gepackt und zur Seite gerissen. Er raffte sich zusammen, um weiter zu stürmen und – rannte mit dem Kopfe an einen Baum, so daß er zurück und auf den Boden flog.
    »Hier! Da ist er! Da liegt er!« rief es.
    Er fühlte, daß sich Männer auf ihn warfen; dann vergingen ihm die Sinne. Die Carambolage mit dem Baume war eine zu kräftige gewesen.
    Aber ebenso kräftig war auch seine Natur. Es dauerte kaum zwei Minuten, als er die Augen aufschlug und gegen zehn bis fünfzehn Männer erblickte. Einige derselben hielten brennende Laternen in der Hand. Er fühlte, daß er an den Händen gefesselt sei, an den Füßen aber nicht. Vor ihm stand ein Herr in Civil mit einer Brille auf der Nase. Diesen kannte er. Es war der Staatsanwalt der Amtsstadt.
    Der Beamte bemerkte, daß der Gefangene die Augen aufschlug; darum befahl er:
    »Richtet ihn auf und lehnt ihn da an den Baum; aber gebt wohl Acht auf ihn!«
    Zwei faßten Eduard an und hoben ihn auf. Als er nun an dem Baume lehnte, fragte der Anwalt: »Wer sind Sie?«
    Jetzt half kein Leugnen.
    »Ich heiße Hauser,« antwortete er.
    »Ah! Den suchen wir! Was thun Sie hier?«
    »Ich will nach Langenberg.«
    »Weshalb?«
    »Ich habe eine Botschaft auszurichten.«
    »Von wem?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »An wen?«
    »Auch das muß ich verschweigen.«
    »Das ist höchst verdächtig. Wissen Sie, daß wir die Macht besitzen, Sie zum

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