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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Wohnung der Geliebten kam, hemmte er seine Schritte. Er schlenderte langsam am Zaune hin und blieb dann an der hinteren Pforte stehen.
    Kaum eine Minute später wurde die Thür geöffnet, und Angelica kam heraus.
    »Richtig!« lächelte er ihr zu. »Das habe ich gedacht! Du hast mich kommen sehen?«
    »Ja.«
    »Dein Vater auch?«
    »Nein, sonst hätte ich nicht heraus gekonnt.«
    »So ist er noch bös?«
    »O, böser als vorher,« seufzte sie.
    »Dann ist er kaum zu begreifen!«
    »Der Seidelmann hat ihn ganz und gar eingenommen. Und als er heute hörte, was gestern geschehen ist, so war es fast gar nicht zum Aushalten.«
    »Wie kurzsichtig! Wer hat es ihm erzählt?«
    »Der Wirth selbst, den er getroffen hat.«
    »Der wird die Sache freilich sehr entstellt haben, da er von meinem Einschreiten sicherlich keinen Nutzen gehabt hat.«
    »Vater kam ganz erbost nach Hause. Er drohte mir sogar, was er noch niemals gethan hat, mit – mit –«
    »Nun, mit wem denn?«
    »Mit Prügel! Denke Dir nur!«
    »Das soll er nur unterbleiben lassen!« braußte Eduard auf.
    »Und fortjagen will er mich!«
    »Ah! Wohin!«
    »Zu Seidelmann’s.«
    »Donner! Als Stütze der Hausfrau, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Daraus wird nichts!«
    »Aber, wenn er nun darauf besteht?«
    »Er kann Dich nicht zwingen.«
    »Wie willst Du das erreichen?«
    »Sehr leicht. Ich würde ein sehr ernstes Wort mit ihm sprechen.«
    »Er läßt Dich ja gar nicht zu sich.«
    »So schicke ich einen Anderen.«
    »Wen?«
    »O, Einen, dem er schon gehorchen würde! Ich werde Dir den Namen schon noch nennen. Jetzt aber habe ich nothwendig.«
    »Nothwendig? Hast Du etwa Arbeit erhalten?«
    »Nein. Ich habe einen Botenweg zu machen.«
    »Wohin?«
    »Nach Langenberg.«
    »Nach Langenberg? Jetzt noch? In nicht ganz einer Stunde wird es ja dunkel sein.«
    »Das schadet Nichts! Ich bekomme einen famosen Botenlohn! Rathe einmal, wieviel!«
    »Wie soll ich das rathen? Für wen ist es?«
    »Das will ich Dir sagen, wenn Du schweigen wirst.«
    »Kein Mensch erfährt es!«
    »Die Hand darauf.«
    »Hier.«
    Sie gab ihm die Hand. Er ergriff dieselbe, legte den Arm um das hübsche Mädchen, zog dasselbe näher an sich und flüsterte: »Ich bekomme fünfzig Gulden; denke Dir nur!«
    »Fünfzig Gul–!« schrie sie beinahe laut auf, und doch blieb ihr die letzte Silbe vor Erstaunen auf der Lippe zurück.
    »Ja,« antwortete er.
    »Das ist unmöglich!«
    »Nein, wirklich.«
    »Für einen bloßen Botenweg?«
    »Ja. Der, für den ich gehe, ist aber auch der Kerl danach!«
    »Wer ist es?«
    »Der – Fürst des Elendes! Aber schweige! Adieu, Engelchen!«
    Er küßte sie und wollte fort; sie aber hielt ihn bei der Hand fest und sagte:
    »Eduard, Du machst Spaß!«
    »Nein, liebes Kind, es ist mein Ernst.«
    »Aber so erkläre mir doch, wie –«
    »Das geht jetzt nicht,« fiel er ein. »Ich habe jetzt keine Zeit. Du sagst ja selbst, daß es bald finster sein wird.«
    »Du Böser! Aber ich muß es doch erfahren. Wann kommst Du aus Langenberg zurück?«
    »Das kann ich nicht genau wissen.«
    »Du kommst dann aber zu mir?«
    »Ja. Aber, wenn es sehr spät sein sollte?«
    »Ich warte!«
    »Gut, Engelchen, so komme ich ganz sicher. Lebe wohl!«
    Noch ein schneller Kuß, und dann trennten sie sich. Eduard ging zunächst nach Hause, um zu sagen, daß er noch nach Langenberg müsse. Er mußte dies thun, damit sich die Eltern nicht um ihn sorgen sollten. Der Vater schüttelte den Kopf und sagte: »Mein Sohn, Du bist jetzt von Geheimnissen umgeben. Ich darf doch nicht befürchten, daß Du Wege wandelst, welche nicht gut genannt werden können?«
    »Sorge Dich nicht, lieber Vater! Was ich thue, das ist recht und gut!«
    »Auch vor den Gesetzen der Menschen?«
    »Ja, auch vor ihnen.«
    »Aber Du gehst bei Nacht durch den Wald und über die Grenze. Wie leicht ist da Etwas passirt! Und dann wissen wir uns wohl keinen Rath!«
    »Mir wird Nichts geschehen! Und solltet Ihr dennoch eines Rathes bedürfen, wenn ich einmal nicht zu Hause bin, so geht hinaus zum Förster. Er hat einen Vetter zu Besuch bei sich, einen gewissen Arndt; der ist ein sehr gescheidter Mann und hält große Stücke auf mich. Der würde Euch den allerbesten Rath geben. Auf keinen Fall aber braucht Ihr Sorge um mich zu haben. Gute Nacht!«
    Er ging, aber nicht direct in der Richtung nach dem Föhrensteige, sondern nach dem Forsthause. Er wollte Vetter Arndt benachrichtigen, daß er einen Weg zu gehen habe, wie er es ja bereits Winkler

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