Der verlorne Sohn
Pascher!«
»Und doch! Man hat ihn sogar ergriffen.«
»Mein Gott! Aber ich bin überzeugt, daß man nichts bei ihm gefunden hat!«
»Sie irren sich. Man hat verbotenes Gut bei ihm gefunden.«
Hauser blickte seine Frau kopfschüttelnd an.
»Glaubst Du das, Mutter?« fragte er ruhig.
»Nimmermehr!«
»Ich auch nicht. Was ist’s, was man bei ihm gefunden hat, Herr Staatsanwalt?«
»Kostbare Spitzen, im Futter seines Rockes verborgen.«
»Und das ist wahr, wirklich wahr?«
»Ja. Wäre es nicht wahr, so hätte er nicht nothwendig gehabt, uns entfliehen zu wollen.«
»So haben Sie ihn ergriffen und gefangen genommen?«
»Ja. Er steht draußen mit einer Bedeckung. Wir müssen hier aussuchen. Ich wollte Sie aber vorbereiten, damit Sie nicht erschrecken möchten.«
Mutter Hauser stieß einen halb unterdrückten Schrei aus und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Vater Hauser blieb ruhig. Er holte zwar tief, tief Atem, sagte dann aber:»Ich danke Ihnen, daß Sie diese Aufmerksamkeit für uns alten Leute gehabt haben, Herr! Aber bringen Sie den Eduard getrost herein. Ich bin überzeugt, daß er unschuldig ist. Sollte ich mich aber dennoch und wider alles Erwarten irren, so werde ich ihm befehlen, ein offenes Geständniß abzulegen. Und mir wird er gehorchen. Darauf können Sie sich verlassen!«
Während Eduard mit seiner Bedeckung, bei welcher sich auch Fritz Seidelmann noch immer befand, draußen vor dem Hause stand, fühlte er oben am Arme einen stechenden Schmerz und zugleich bemerkte er, daß es ihm naß über die gefesselten Hände lief und tropfte.
»Ich muß verwundet sein!« sagte er.
Er erhielt keine Antwort. Da kam der Anwalt heraus und befahl, daß man eintreten solle. Zwei der Grenzer führten den Gefangenen in die Stube. Auch Seidelmann trat mit ein. Die Anderen blieben im Flur stehen.
»Herrgott!« schrie Mutter Hauser auf, als sie ihren Sohn erblickte. »Du blutest ja!«
Sie wollte zu ihm eilen. Ihr Mann hielt sie zurück und sagte ernst:
»Laß das, Mutter. Es ist besser, sein Leib verblutet als seine Seele. Eduard, komm her.«
Der Sohn trat nahe zu dem Vater heran.
»Hast Du gepascht?« fragte der Letztere.
»Nein!« antwortete Eduard.
»Aber man hat Spitzen bei Dir gefunden?«
»Ja.«
»Woher hast Du sie?«
»Ich habe nichts von ihnen gewußt. Sie stacken im Rockfutter. Ich weiß nicht, wie sie da hinein gekommen sind.«
Es war, als ob der Vater seinen Sohn mit dem Auge durchbohren wolle. Dann fragte er seine Frau: »Glaubst Du ihm, Mutter?«
»Ja. Er ist kein Pascher.«
»Ich glaube auch, daß er unschuldig ist. Herr Staatsanwalt, untersuchen Sie diese Sachen mit aller Strenge! Gott wird es wollen, daß der Schuldige entdeckt werde.«
»Brennt Euch nur nicht weiß!« ertönte es da von der Ecke her, in welcher Fritz Seidelmann stand. »Er hat sich doch in seinem Briefe als Waldkönig unterschrieben.«
Vater Hauser richtete seinen Blick auf den Sprecher und sagte:
»Ah, Herr Seidelmann! Ich habe Sie ja gar nicht eintreten sehen! Sie sind auch dabei? Jedenfalls haben Sie die Anzeige gemacht! Nicht?«
»Ich brauche es nicht zu leugnen. Ich mußte ja meine Pflicht erfüllen.«
»Ja, in Beziehung auf Pflichterfüllung stehen Sie geradezu als beispiellos da.«
Und sich zu seinem Sohne wendend, fuhr er fort:
»Was ist es mit dem Briefe, Eduard? Du hast Dich also als Waldkönig unterschrieben?«
»Ja, Vater. Es fiel mir nichts Anderes ein. Fritz Seidelmann hatte die Engelchen zur Maskerade eingeladen. Ich kannte die Gefahr, die ihr dabei drohte; ich wollte sie beschützen; ich wollte dabei sein; es durfte aber ein Mitglied nur kommen. Darum schrieb ich als Waldkönig einen Brief an Herrn Strauch und verbot ihm, zur Maskerade zu gehen. Er ist zu Hause geblieben, und ich ging. Dadurch ist es mir gelungen, die Engelchen zu retten, sonst wäre es ihr ganz so ergangen wie des Schreibers Tochter, die nun unschuldig gefangen sitzt.«
»So also! So ist es gewesen! Eduard, das war eine große Unvorsichtigkeit. Aber ein Pascher bist Du nicht. Wir brauchen keine Angst um Dich zu haben. Herr Staatsanwalt, suchen Sie bei uns aus.«
Es war dem Beamten ganz so, als ob er dem alten Manne Glauben schenken müsse; aber er mußte seine Pflicht thun und gab Befehl, die Durchsuchung des Häuschens zu beginnen.
Während seine Leute sich mit den Laternen in die verschiedenen Räume zerstreuten, ertönte durch die Läden des Nachbarhauses eine laute, zornige Männerstimme bis auf die Gasse heraus.
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