Der verlorne Sohn
wenigstens ein Beauftragter von ihm.«
»Auch das nicht.«
»Wie können Sie das wissen?«
»Das erkläre ich Ihnen später einmal. Ihr Sohn ist in die Hände eines Schwindlers gefallen oder wohl gar in die Hände eines Feindes, der ihn verderben will.«
»Das konnten wir uns denken. Wir werden Gott bitten, ihn unter seinen Schutz zu nehmen.«
»Ihr Gebet ist bereits erhört.«
»Wie? Was sagen Sie?«
»Daß Sie keine Sorge um Eduard zu haben brauchen. Seine Gefangenschaft wird eine sehr kurze sein.«
»Welche Freude, wenn das wahr wäre!«
»Es ist wahr. Ihr Sohn ist unschuldig. Es hat sich Einer hier eingeschlichen und ihm die Spitzen heimlicher Weise in den Rock genäht.«
»Wer will das beweisen?«
»Der Fürst des Elendes.«
»Ah! Wissen auch Sie von diesem?«
»Ja. Ich bin einer seiner Diener. Das ist es, was ich Ihnen vorhin mitzutheilen versprach. Doch bitte ich, das als ein tiefes Geheimniß zu betrachten!«
»Was Sie uns hier sagen, das bleibt so verschwiegen, als ob Sie es gar nicht gesagt hätten, Herr Arndt. Also ein Diener des Fürsten sind Sie! O, nun ist es mir um Eduard nicht bange!«
»Wieso?«
»Er bezeichnete Sie als seinen Freund. Er hatte in letzter Zeit gewisse Heimlichkeiten, die er nur für sich behielt. Das machte mir eigentlich Sorge. Nun ich aber höre, daß er mit Ihnen verkehrt hat, so nehme ich an, daß er auch im Dienste des Fürsten des Elendes gestanden hat.«
»Sie rathen ganz richtig. – Ja, ich will es Ihnen gestehen, um Sie über das Schicksal Ihres Sohnes vollständig zu beruhigen. Aber ich muß da nochmals um die größte Verschwiegenheit bitten!«
»Keine Sorge! Es wird uns kein Mensch dieses Geheimniß entreißen können. Also, Sie meinen, daß ihm Jemand die Spitzen in den Rock practizirt hat? Wer mag es gewesen sein?«
»Ahnen Sie es nicht?«
»Hm! Ich hätte so eine kleine Ahnung! Vielleicht Seidelmann selbst?«
»Warum dieser?«
»Weil er es seit einiger Zeit auf unser Verderben abgesehen hat.«
»Auch hier ist Ihre Ahnung richtig.«
»Wie? Er ist es also gewesen?«
»Ja. Er ist dabei beobachtet worden.«
»Von wem?«
»Vom Fürsten des Elendes.«
»Gott sei Dank! So ist Eduard allerdings gerettet.«
»Ganz gewiß; aber freilich nur in dem Falle, daß Sie das, was wir jetzt sprechen, nur für sich behalten, damit Seidelmann nichts erfährt. Er könnte sich vorbereiten.«
»Wird uns nicht einfallen! Also um Eduard ist es uns nicht mehr angst, desto mehr aber um das gute Engelchen.«
»Um die? Was ist mit ihr?«
»Sie ist auch mit gefangen.«
»Was Sie sagen! Weshalb?«
»Als Mörderin. Sie hat auf Fritz Seidelmann geschossen, und zwar heute Abend, hier in meiner Stube.«
»War Seidelmann denn mit hier?«
»Ja. Er ist mit dem Staatsanwalt und den Gensdarmen und Grenzern im Walde gewesen, um Eduard zu fangen, und sodann kam er mit herein, um sich Alles so recht in Gemüthlichkeit mit anzusehen.«
»Welch’ eine unerhörte Frechheit!«
»Während man hier bei uns aussuchte, hatte sich Engelchen mit ihrem Vater gezankt. Er war wegen des gestrigen Abends wüthend auf sie. Er verlangte, daß sie bereits morgen bei Seidelmanns in Dienst treten solle –«
»Wie verblendet!«
»Freilich! Und als sie nicht wollte, hat er sie geschlagen.«
»Das arme Mädchen!«
»Sie ist natürlich ganz außer sich gewesen und drüben ihrem Vater entflohen. Sie kam herüber zu uns. Sie sah unsern Eduard gefesselt und von Blut überströmt; sie sah diesen Seidelmann, der die Schuld an Allem trug, und da ging ihr der Grimm mit dem Verstande fort. Sie riß einem der Grenzer das Gewehr aus der Hand – –«
»Und schoß auf Seidelmann?« fiel Arndt ein.
»Sie wollte nicht. Sie sagte nur, daß sie ihm zeigen wolle, was ihm eigentlich gehöre. Da aber ging der Schuß doch los. Was versteht so ein Mädchen von einer Flinte!«
»Wurde er verwundet?«
»Ein Schrotkorn streifte ihn am Ohre.«
»Das ist ein großes Glück.«
»Aber doch fiel der Hasenfuß vor Schreck in Ohnmacht!«
»Was geschah dann?«
»Als er wieder zu sich kam, verlangte er vom Staatsanwalt, daß Engelchen arretirt und auf das Allerstrengste bestraft werde.«
»Die Arretur war selbstverständlich. Was aber die Strafe anbelangt, so werden die Herren Richter diesem Seidelmann wohl nicht den Gefallen thun, allzu blutdürstig zu sein.«
»Das sah man bereits dem Herrn Staatsanwalt an.«
»Wieso?«
»Er schien erst an Eduard’s Schuld geglaubt zu haben; aber sein Verhalten änderte sich
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