Der verlorne Sohn
genügt er mir noch nicht. Ich will ihm noch Weiteres beifügen, und dabei können Sie mir helfen.«
»Ich stehe zu Diensten!«
»Und Sie, Hochwürden?«
Der Pfarrer hatte in letzter Zeit ganz still dagesessen. Was er hörte, wirkte so mächtig auf ihn ein, daß er es vorzog, zu schweigen. Jetzt aber antwortete er: »Diese Seidelmanns! Ah, meine Ahnung!«
»Wie? Sie ahnten – –?«
»Nicht das, was Sie wissen, verehrter Herr; aber ich war überzeugt, daß die Seidelmanns nicht die Leute sind, für welche sie sich ausgeben. Ich bin noch am letzten Sonntag arg mit ihnen zusammen gerathen. Bedürfen Sie auch meiner Mitwirkung?«
»Ich möchte Sie allerdings um dieselbe ersuchen.«
»Ich stehe zu Diensten.«
»Schön! So habe ich Ihnen mitzutheilen, daß ich heute noch mit dem Waldkönige sprechen werde – –«
»Donnerwetter!« fiel der Gensdarm ein.
»Sie sollen heimlich dabei sein – –«
»Warum nur heimlich?«
»Sie sollen nur hören, ob seine Stimme die Stimme Seidelmanns ist.«
»Das wird nicht schwer und auch nicht gefährlich sein. Verlangen Sie nur dieses Eine?«
»Weiter nichts!«
»Warum ihn nicht gleich festnehmen?«
»Nicht jeder Gewinn ist auch ein Vortheil zu nennen. Der Waldkönig wird auch für einen Pascher gehalten. Ich bespreche ein Geschäft mit ihm. Wir einigen uns über einen bedeutenden Schmuggelzug, und dann, dann erst nehmen wir ihn gefangen.«
Der Gensdarm fühlte sich von dem Plane förmlich begeistert.
»Sakkerment, ist das schlau, ist das pfiffig!« sagte er. »Wo wird die Unterredung stattfinden?«
»Draußen auf dem Schachte.«
»Warum da?«
»Darüber später. Haben die beiden Herren die Güte, sich mir anzuschließen?«
»Ja, sogleich!« antwortete der Gensdarm; indem er aufstand.
»Gern,« sagte auch der Pfarrer. »Wenn Ihnen an meinem Zeugnisse gelegen ist, mein Herr, so – –«
»Gewiß, gewiß! Das Zeugniß eines Pfarrers pflegt mehr Gewicht zu haben als jedes andere.«
»Aber haben wir nicht vorher noch über die Summe zu sprechen, welche sie die Güte hatten, mir – –«
»Heute nicht, heute nicht,« fiel ihm Arndt in die Rede. »Dieses Geld befindet sich in guten Händen. Verfügen Sie ganz nach Belieben darüber, und vergessen Sie nicht, daß Sie keinem Menschen Rechenschaft abzulegen haben!«
Nach kurzer Zeit waren die Drei unterwegs.
Als sie das Kohlenbergwerk erreichten, meinte Arndt:
»Bitte, warten Sie! Ich will erst rocognosciren.«
»Soll ich es nicht thun?« fragte der Gensdarm. »Unsereiner hat so seine Uebung und Erfahrung.«
»Danke! Ich bringe das auch fertig.«
Er schlich davon, und die Beiden blieben leise flüsternd mit einander zurück. Nach einer Weile tauchte er hart bei ihnen aus dem Schnee empor, so daß sie über sein plötzliches Erscheinen beinahe erschreckten.
»Es steht Alles gut,« sagte er. »Treten Sie so leise wie möglich auf; lassen Sie sich nicht sehen, und beobachten Sie überhaupt alle mögliche Vorsicht!«
Er führte sie nach dem Schuppen, in welchem er mit dem frommen Schuster gesprochen hatte. Als sie ihn glücklich und unbemerkt erreichten, sagte er: »Hier liegt Stroh. Klettern Sie hinauf, und beobachten Sie scharf. In einiger Zeit wird der Waldkönig erscheinen. Ich werde ihn sogar einmal mit meinem chemischen Laternchen anleuchten. Diesen Augenblick müssen Sie erfassen. Wenn Sie auch sein belarvtes Gesicht nicht erblicken werden, so wird es Ihnen doch wenigstens gelingen, seine Gestalt zu erkennen.«
Er ging fort und klopfte an Laube’s Thür. Dieser Letztere erschien sogleich und fragte laut: »Was giebt es?«
Arndt griff mit der rechten Hand nach dem rechten Auge und sagte:
»Ich werde erwartet.«
»Ah, Sie sind es! Sie waren gestern bereits da?«
»Ja.«
»Ich soll Sie melden.«
»Dauert es lange?«
»Nein, da man Sie erwartet.«
»Klingeln Sie heute fünfmal anstatt nur vier Mal!«
»Ist das besprochen worden?«
»Ja.«
»Gut. Haben Sie sich den Strohschuppen gemerkt?«
»Ja. Soll ich dort warten?«
»Bitte, ja. Der Betreffende wird dort hinkommen.«
Jetzt kehrte Arndt nach dem Schuppen zurück. Er zog sein Laternchen hervor und bemerkte beim Scheine derselben, daß seine beiden Gefährten sich so versteckt hatten, daß sie gar nicht bemerkt werden konnten.
»Haben Sie ihn bestellt?« flüsterte der Gensdarm.
»Ja.«
»Bitte, sprechen Sie so laut wie möglich mit ihm, damit uns nichts entgehen kann.«
»Ihren Wunsch in allen Ehren, aber Sie sehen doch ein, daß man bei
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