Der verlorne Sohn
mehrere Zimmer und klopfte dann an eine Thür.
»Du, Franz?« fragte eine weibliche Stimme von innen.
»Ja,« antwortete er.
»Tritt herein!«
Er öffnete die Thür und zog sie hinter sich wieder zu.
»Ah!« sagte er überrascht. »Ich störe!«
»O nein, obgleich Du mich jetzt im Bade findest,« lachte sie. »Vor dem Manne darf die Frau selbst in dieser Beziehung kein Geheimniß haben.«
Das Boudoir, in welchem sie sich befanden, war mit einem wahrhaft raffinirten Luxus ausgestattet. Es besaß die bequeme Einrichtung, daß man nur an einen Knopf zu drücken brauchte, so öffnete sich die eine Wand, um den vollständigen Badeapparat einzulassen.
Die Baronin, das einstige Bauermädchen, die frühere Zofe, saß in einer Badewanne, welche aus cararischem Marmor gefertigt war. Wer sie hier erblickte, mußte sich sagen, daß sie ein üppiges und noch immer schönes Weib sei, obgleich sie bereits über vierzig Jahre zählte. Sie saß aufrecht. Ihr aufgelöstes Haar, welches noch ebenso voll und glänzend war wie damals, als sie das Seidenkleid ihrer Herrin anprobierte, umfloß ihren Oberkörper und fiel dann wie eine dunkle, weiche Fluth in das Wasser nieder. Ihr allerdings zu üppiger Körper zeigte nicht das leiseste Fleckchen, er war glänzend wie Alabaster und von einer so glänzenden Weiße, als sei er aus demselben Marmor gemeißelt, wie die Wanne, in welcher sie sich befand.
Und trotz dieses mehr als verführerischen Anblickes stand der Baron kalt und unbewegt vor ihr, als ob der Urstoff seines Körpers eben auch nichts anderes als Marmor sei.
»Kommst Du aus Liebe oder aus – Geschäftsabsichten?« fragte ihn die Baronin.
Er zuckte die Achsel, zog sein Cigarrenetui hervor, steckte sich, ohne Rücksicht darauf, daß er sich in einem Damenboudoir befand, eine Havannah an und antwortete leichthin:
»Aus Liebe? Wie kommst Du mir heut vor?«
Sie zog die Mundwinkel scheinbar schmollend empor und antwortete:
»Ach ja! Die Zeiten der ersten Liebe sind längst vorüber!«
»Der ersten? Mache keine Witze! Meine erste Liebe warst Du nie, das habe ich Dir tausendmal in aller Aufrichtigkeit gesagt. Und ich etwa die Deinige? Meinst Du, daß ich daran glaube?«
»Nein, Du glaubst nicht daran. Auch habe ich Dir ja mit eben solcher Aufrichtigkeit gesagt, daß mein Herz früher bereits einmal engagirt gewesen war.«
»Allerdings. Aber Denjenigen, der es engagirt hatte, den hast Du mir nicht genannt.«
»Das würde zu nichts führen!«
»Aber es wäre interessant. Du bist zur Courtisane geboren, schön, üppig und glühend, aber ebenso berechnend und habgierig. Du bist ja eigentlich auch Courtisane, seit wir uns gegenseitig die Erlaubniß gegeben haben, ungestört lieben und genießen zu können, wen wir wollen. Du hast Dich aus reiner Berechnung in den Besitz meiner Person gesetzt. Ich glaube, daß Du für einen Augenblick wünschen kannst, von Jemand umarmt zu werden, aber ein wirkliches Verliebtsein, eine tiefere Liebe traue ich Dir nicht zu. Daher möchte ich wissen, wer Derjenige ist, von dem Du sagen kannst, daß er Dein Herz ernstlich engagirt habe.«
»Und das ist bloße Neu-oder sagen wir Wißbegierde?«
»Weiter nichts!«
»Keine Eifersucht?«
Er hatte sich bequem auf einen Sessel niedergelassen. Jetzt lachte er, daß dieser Stuhl wackelte. Als er sich beruhigt hatte, antwortete er:
»Ich eifersüchtig auf Dich? Welch ein Blödsinn! Ich sage Dir: Wäre ich jetzt hier eingetreten und hätte irgend einen Anbeter neben Dir im Bade gefunden, so würde ich ganz höflich um Entschuldigung gebeten haben.«
»Du hättest wirklich weiter nichts gethan?«
»O doch!«
»Was?«
»Ich wär schleunigst fortgegangen.«
»Natürlich um Polizei oder einen Secundanten zu holen!«
»Fällt mir gar nicht ein. Ich hätte mich ruhig in das Casino begeben, um eine Parthie Billard oder Tarock zu spielen.«
Sie schien sich über diese Gleichgiltigkeit, an der sie im Grunde genommen gar nicht zweifelte, zu ärgern. Selbst wenn eine Frau ihren Mann nicht liebt, will sie doch von ihm beachtet sein. Sie sagte daher, ein wenig ärgerlich:
»Ich darf also wirklich machen, was ich will?«
»Gewiß! Ganz dasselbe fordere ich aber auch für mich. Nun kannst Du mir wohl sagen, wer damals Deine Liebe besaß?«
»Du würdest Dich wundern!«
»Schön! Desto besser! Ich wundere mich gern.«
Sie blickte ihm fest in das Gesicht und sagte langsam und mit Nachdruck:
»Nun gut! Gustav Brandt war es.«
Er fuhr empor, als hätte
Weitere Kostenlose Bücher