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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihn eine Natter gestochen.
    »Brandt?« rief er. »Bist Du von Sinnen!«
    »Ja, ich war damals kaum bei Sinnen, als ich bemerkte, daß er mich gar nicht beachtete, sondern diese Alma vorzog. Oder willst Du etwa sagen, daß er nicht liebenswerth, daß er kein schöner Mann gewesen sei?«
    »Mann? Ein Knabe war er!«
    »In meinen Augen nicht. Ich habe ihm zehn und hundert Male Gelegenheit gegeben, sich von mir verführen zu lassen; ich habe diese Gelegenheiten förmlich gewaltsam herbeigezogen – vergebens; er wich mir aus! Ahnte er meine Absicht? Ich kann es heute noch nicht sagen; aber ich schwur ihm dafür Rache. Wird ein Weib verschmäht, so ist ihr Grimm dann größer, gewaltiger und – gefährlicher als ihre Liebe.«
    »Ja, das glaube ich! Und gerächt hast Du Dich ja!«
    »Ich weiß wirklich nicht, ob ich Dir meine Verschwiegenheit angeboten hätte, wenn diese verschmähte Liebe nicht gewesen wäre. Wo mag er jetzt sein?«
    »Pah! Verschollen, verschwunden, verdorben!«
    »Meinst Du? Mir ist, als ob wir ihn noch immer zu fürchten hätten!«
    »Diesen Gedanken verlache ich geradezu. Es sind zwanzig Jahre vergangen; er ist als verurtheilter Mörder entflohen und darf niemals zurückkehren. Selbst wenn er zurückkehrte, welche Spur will er noch finden, was will er uns noch anhaben?«
    »Du magst recht haben. Brechen wir also ab! Ich bin heute zu Hellenbach’s geladen. Gehst Du mit?«
    »Nein.«
    »Warum denn nun nicht?«
    »Ich habe keine Zeit; ich bin beschäftigt.«
    »Das mache mir nicht weiß! Du scheust Dich vor dem Obersten von Hellenbach, weil Du damals – wollte sagen, weil damals sein Bruder, der Hauptmann, in Helfenstein ermordet wurde!«
    »Auch hier bist Du auf der unrechten Fährte. Von einer Scheu ist keine Rede; aber alle diese Hellenbach’s, der Vater, die Mutter, die Tochter, das musikalische Ding, sind mir unsympathisch.«
    »Und doch halten sie solche Freundschaft, weil der alte verstorbene Hellenbach so außerordentlich mit Deinem, leider von Gustav Brandt ermordeten Cousin sympathisirte.«
    »Mag sein. Ich ginge wohl öfters hin, aber diese – diese verdammte Cousine, diese Alma! Sie kommt auch zuweilen, und sie mag ich nun gar nicht sehen!«
    »Ich ebenso wenig! Sie sieht mich nicht; sie hört mich nicht. Und sind wir ja gezwungen, ein Wort zu wechseln, so thut sie das ganz in einer Weise, als ob ich noch immer ihre Zofe sei. Denke Dir! Kürzlich beim Regierungsrath erzähle ich etwas aus früherer Zeit. Die Affaire erschien einigen Damen unbegreiflich, und daher wendete ich mich an Alma.«
    »Baronesse,« sagte ich, »wollen Sie nicht die Güte haben, mir die Wahrheit meiner Worte zu bezeugen?«
    »Jawohl, sehr gern, Ella,« antwortete sie. »Ich war dabei, denn Du hattest grad kurz vorher meinen Befehl erhalten, mir meinen Fächer zu holen, den ich vergessen hatte.«
    »Denke Dir die Blamage, lieber Franz!«
    Die Augen des Barons glühten wild auf.
    »Das hat sie gethan? Wirklich gethan?« fragte er.
    »Ja, wirklich!«
    »Sie hat Dich Du genannt und von Deinem untergebenen Verhältnisse gesprochen?«
    »Ja, und mit welcher Frechheit!«
    »Bei Gott, das soll sie nicht wieder thun!«
    »Hm! Was kann man da machen!«
    »Viel, sehr viel kann man da machen! Du wirst es erfahren, und zwar morgen früh! Das ist eben das Geschäft, welches mich abhält, Dir heute Gesellschaft zu leisten.«
    »Ah, wieder ein geheimer Coup?«
    »Ja.«
    »In der Stadt?«
    »Natürlich! Im anderen Falle wäre ich ja heute vereist.«
    »Ein Coup gegen die Alma?«
    »Ja. Ich habe erfahren, daß sie sich von ihrem Banquier hat fünfzigtausend Thaler auszahlen lassen.«
    »Welch eine Unvorsichtigkeit! Legt man eine solche Summe denn bei sich hin! Die läßt man in der Bank!«
    »Sie wird ihrem bisherigen Banquier nicht mehr trauen und sich einen anderen engagirt haben.«
    »Und ist es blos auf das Geld abgesehen?«
    »Nein, auch auf sie. Diese vier Kerls, welche ich mir auserwählt habe, sind wahre Teufel. Sie werden diese gute, stolze Cousine erst der Reihe nach umarmen und dann – hm, sprechen wir lieber nicht davon!«
    Da erhob sie sich in der Wanne, streckte die Arme aus und rief:
    »Das ist eine Rache! Endlich, endlich! Was gäbe ich darum, dabei sein zu können, wenn sie in den Armen dieser Menschen erwacht. Und dann – ich glaube, wir werden sie beerben, da man noch nichts gehört hat, daß sie ein Testament gemacht habe.«
    »Natürlich werden wir sie beerben. Darum habe ich ja auch auf mein Antheil

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