Der verlorne Sohn
Folge? Hm! O, ah, hm!«
»Nun, sprechen Sie doch!«
»Ich weiß nicht, ob ich Dero geehrte Absichten mit meinen unmaßgeblichen Gedanken zu errathen vermag.«
»Nun, so sagen Sie diese Gedanken!«
»Ich möchte gehorsamst bitten, Ihre Meinungen doch lieber hören und erfahren zu dürfen!«
»Nun, meinetwegen! Sie verkleiden sich als Dame!«
»Alle guten Geister!« fuhr der Balletmeister auf.
»Erschrecken Sie etwa?«
»Nein, nein!«
»Das Zartgefühl einer allerhöchsten Dame ist auf jeden Fall zu schonen. Wenn Sie sich nicht dazu verstehen, so finde ich zehn und zwanzig andere Künstler, welche sofort bereit sind, auf diese Intentionen einzugehen!«
»Ich bin bereit! Ich will ja!«
»Damenkleider anlegen?«
»Ja. Nur bitte ich ergebenst, daß mein Aurorchen erfahren darf, wozu dies geschieht.«
»Gut. Sagen Sie es ihr. Es ist besser so. Sie können sich dabei von Ihrer Frau helfen lassen. Aber da Sie doch möglicher Weise gesehen und erkannt werden könnten, so ist am höchsten Orte die Bestimmung getroffen worden, daß Sie Halbmaske anzulegen haben.«
»Da kommt man am allerhöchsten Orte meinem Wunsche entgegen.«
»Schön! Und nun die Hauptfrage: Ihr Honorar.«
»O bitte, bitte!«
»O nein! Erwähnt muß das natürlich werden. Wie hoch pflegen Sie Ihre Preise zu stellen?«
»Hm! Ich weiß wirklich nicht, ob ich –«
»Gut! Sie besitzen Zartgefühl und das wird man am allerhöchsten Orte anzuerkennen wissen. Sie gefallen mir, und so will ich Ihnen einen guten Rath geben.«
»Ich sehe demselben dankbarlichst entgegen.«
»Man ist am angegebenen Orte natürlich nicht gewohnt, zu feilschen und zu rechnen –«
»O, gewiß, gewiß!«
»Man würde sich sogar durch die Angabe einer bestimmten Summe vielleicht beleidigt fühlen.«
»Ich nenne keine, gewiß keine!«
»Dagegen weiß man das Talent, das Genie zu belohnen. Ueberlassen Sie es also lieber den allerhöchsten Herrschaften selbst, den Werth Ihrer Leistung zu taxiren.«
»Dieser Rath ist mir wie der strengste Befehl.«
»Ich bin überzeugt, daß man nicht knausern, sondern Ihnen vielmehr einen hohen Betrag anweisen wird.«
»Danke, danke«
Der Balletmeister machte einen tiefen Bückling, als ob er bereits fünfzigtausend Gulden in den Händen halte.
»Und, im Vertrauen, mein bester Herr Balletmeister und Kunstmaler – vielleicht fällt noch etwas Anderes ab!«
»Wie? Was?«
»Pst! Nicht fragen.«
»Nicht? Ah! Warum nicht?«
»Still! Man ist schon längst auf Ihre Leistungen aufmerksam geworden; ich meine Ihre Leistungen auf der Bühne und im Atelier. Sie sind ja doppelter Künstler.«
»Doppelter! O, ja, ja!«
»Man hat bereits im Geheimen an Ihr Knopfloch gedacht.«
»Knopfloch gedacht! Herr mein Heiland!«
»Ja, ja! Aber, pst, still! Gelingt das Portrait, so ist die Sache gemacht! Also, geben Sie sich mit der Proserpina alle mögliche Mühe, mein lieber Freund!«
»O, alle, alle Mühe! Welch eine Schickung, daß ich bereits hier eine Proserpina male! Auf diese Weise ist mir das Sujet vertraut. Ich habe mich bereits in die Tiefen desselben versenkt. Ich bin vollständig
au fait
. Und wenn mir dann sogar das Modell des Höllenhundes allergütigst geliefert wird –«
»Gewiß, gewiß! Man wird Sie sogar ganz besonders auf dieses Modell aufmerksam machen.«
»So bin ich überzeugt, ein Kunstwerk ersten Ranges zu liefern. Ich gebe mein Wort als Mann und Künstler!«
»Schön! Bin vollständig überzeugt! Aber noch Eins: Es ist möglich, daß es der betreffenden Dame schwer oder gar unmöglich wird, in Damenkleidern unbemerkt aus ihren Gemächern zu entkommen. In diesem Falle –«
»Werde ich freilich vergeblich warten!«
»O nein. In diesem Falle, wollte ich sagen, wird sie jedenfalls Herrenkleider anlegen. Die Sitzung findet auf alle Fälle statt. Haben Sie noch Etwas zu bemerken?«
»Nichts, gar nichts, als mein allerunterthänigstes Glück, den mir ertheilten Befehlen gehorchen zu dürfen.«
»Dann adieu, mein Lieber! Also heute Abend punkt dreiviertel zwölf Uhr. Lassen Sie nicht warten!«
»O, nein, keine Secunde, keinen Augenblick.«
Er begleitete Holm unter unzähligen tiefen Verbeugungen bis hinaus und dann sogar bis hinunter vor die Hausthür, wo er sich noch einige Male hinter ihm verneigte. Und als er dann in die Stube zurückkehrte und seine Frau höchst erwartungsvoll anblickte, nickte er ihr in stolzer Weise, doch ohne ein Wort zu sagen, zu.
»Nun?« fragte sie.
»Stumm muß ich sein!«
»Stumm? Du
Weitere Kostenlose Bücher