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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mußt doch reden!«
    »Und taub!«
    »Unsinn, lieber Arthur!«
    »Und blind!«
    »Bist Du übergeschnappt?«
    »Nein, mein Liebling. Aber zum Ueberschnappen ist es!«
    »Du machst mir Angst!«
    »Nein, nein! Angst brauchst Du nicht zu haben, mein Liebling. Dieses Taubstummblind ist ja nur bildlich gemeint. Es erwartet mich ein großes, großes Glück.«
    Er setzte den rechten Fuß gravitätisch vor und steckte den Finger bezeichnend in das Knopfloch.
    »Was? Ein Band? Einen Orden?« fragte sie.
    »Ja. Ein Kreuz, einen Adler oder gar einen Löwen! Weißt Du, wie er mich genannt hat?«
    »Nun, wie denn?«
    »Mein bester Balletmeister und Kunstmaler; sodann sagte er lieber Freund zu mir und endlich nannte er mich gar einen doppelten Künstler.«
    »Mariajosepp! Das war ein feiner Mann! Und ich habe ihn erst so streng abgewiesen!«
    »Welch ein Fehler! Weißt Du, was er war?«
    »Nein.«
    »Ein Incognito!«
    »Du bist des Teufels, liebster Arthur!«
    »Oho! Eine Proserpina soll ich malen!«
    »Das thust Du ja bereits!«
    »Ich meine eine Andere. Ich soll eine höchste, eine allerhöchste Dame als Proserpina malen. Das Portrait soll ihr hoher Gemahl zum Geburtstag erhalten und darum, da es eine Ueberraschung sein soll, darf kein Mensch vorher ein Sterbenswörtchen wissen.«
    »Was Du sagst!«
    »Aus diesem Grunde sind mir Bedingungen gestellt worden, die eben nur von allerhöchsten Orten ausgehen können.«
    »Welche Bedingungen?«
    Er sagte ihr Alles. Sie schlug die Hände über den Kopf zusammen und rief voller Entzücken:
    »Arthur, lieber, heißgeliebter Arthur, ahnst Du denn auch, wer diese Dame ist?«
    »Ja.«
    »Allerhöchst, das ist königlich!«
    »Natürlich ist’s die Königin! Komm, mein Liebling, bei so einem Glück brauche ich mir die Hosen nicht zusammenzuleimen. Ich ziehe die neuen an!«
    Er nahm den Leimtopf vom Heerde und warf ihn in den Kohlenkasten. Er hätte vor Freude alle seine Stuben zum Fenster hinauswerfen können.
    Und wohin war Holm unterdessen gegangen? Nach der Wohnung des Chefs der Claqueurs. Er hatte gewußt, daß der Balletmeister ihn nicht kannte, und ebenso war er überzeugt, daß Frau Staudigel, deren Mann sich so gern Baron nennen ließ, keine Ahnung habe, wer er eigentlich sei.
    Er fand ein Stubenmädchen vor und fragte, ob die gnädige Frau zu sprechen sei.
    »Was wünschen Sie von ihr?« fragte das schnippische Ding.
    »Daß sie Ihnen sofort kündigen soll, wenn Sie ihr nicht augenblicklich sagen, daß ich sie zu sprechen wünsche.«
    Das wirkte auf der Stelle.
    »Bitte, Ihren Namen!« sagte sie.
    »Den werde ich der Dame selbst nennen.«
    »Aber Madame ist nicht gewöhnt, ungenannte Personen bei sich zu empfangen, mein Herr?«
    »Ich bin es nicht gewöhnt, Jedermann zu sagen, wie ich heiße.«
    Er wußte, daß dies grad die richtige Art und Weise sei, hier aufzutreten. Sie entfernte sich wirklich und kehrte bald zurück, um ihn zu ihrer Herrin zu führen.
    Die Frau ›Baronin‹ Staudigel saß in ihrer sammetenen Causeuse und betrachtete sich den Eingetretenen durch das Lorgnon. Er grüßte wortlos, nur durch eine vornehme, elegante Verbeugung. Sie antwortete durch ein kurzes, stolzes Nicken und sagte in strengem Tone: »Mein Herr, Sie haben sich geweigert, mir wissen zu lassen, wer bei mir Zutritt erwünscht!«
    »Verzeihung, gnädige Frau! Nicht ich trage die Schuld. Es geschieht vielmehr auf hohen Befehl.«
    Als sie das hörte, fuhr ihr Kopf um einige Zoll empor.
    »Auf Befehl?« fragte sie.
    »Wie ich sagte.«
    »Sagten Sie nicht sogar, hohen Befehl?«
    »Allerdings.«
    »Dann bin ich gespannt, den Grund Ihres Besuches kennen zu lernen, mein Herr.«
    »Ich werde Sie sofort über die Ursache meiner Anwesenheit unterrichten, nachdem Sie mir gestattet haben, in Ihrer Nähe Platz zu nehmen, gnädige Frau.«
    Er hatte ein wirklich vornehmes Aussehen und nannte sie gnädige Frau. Ihr Gesicht heiterte sich auf, und ihr Ton klang höflicher als bisher, als sie sagte: »Bitte, setzen Sie sich.«
    Er nahm ganz in ihrer Nähe auf einem Fauteuil Platz, warf einen leichten Blick durch das Zimmer und begann.
    »Zunächst möchte ich fragen, ob unsere Unterredung eine ungestörte sein kann.«
    »Wünschen Sie das?«
    »Sehr.«
    »Auch auf hohen Befehl?«
    »Sogar auf sehr hohen!«
    »Ah! Dann werde ich allerdings Sorge tragen, daß Niemand Zutritt bekommt«
    Sie klingelte und als das Mädchen eintrat, befahl sie:
    »Anna, ich bin für Niemand zu Hause.«
    »Auch für den gnädigen Herrn

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