Der verlorne Sohn
konnte sie doch nicht schweigen. Sie fragte: »Aber, mein Herr, warum erzählen Sie das grad mir?«
»Ihnen? Sie errathen das nicht?«
»Nein.«
»Wunderbar! Sie eben sind ja die betreffende Dame.«
»Ich?« fragte sie im Tone des höchsten Erstaunens.
»Ja, freilich.«
»Unmöglich!«
»Warum unmöglich?«
»Mein Mann spricht mir –«
Sie hielt inne. Ihr Gesicht war wie mit Blut übergossen.
»Nun, was spricht Ihr Mann zu Ihnen?«
»Ich wollte sagen, er spricht mir jede Schönheit ab.«
»Dieser Thor! Ah, Verzeihung, daß ich mir diesen harten unvorsichtigen Ausdruck gestattete! Aber es ist wirklich thöricht und blind, ein solches Urtheil zu fällen!«
Man sage der häßlichsten Frau, daß sie hübsch sei, und sie wird es glauben; so war es auch hier mit der Frau des einstigen Schneiders. Der weibliche Dünkel berührte sich mit der gesellschaftlichen Einbildung, und so hatte Holm, der kluge Menschenkenner, leichtes Spiel.
»Sie schmeicheln, mein Herr!« sagte sie.
»O nein! Ich habe nur die Befehle auszurichten, welche mir ertheilt worden sind. Weiter thue ich nichts. Ich beklage aber den irre gegangenen Geschmack, welcher sich durch ein glattes Gesichtchen verführen läßt, einer wirklich charakteristischen Formvollendung die gebührende Anerkennung zu versagen! Prinzeß – – ah, wollte sagen, die betreffende Dame war von Ihrer Physiognomie vollständig enthusiasmirt. Sie sah sich auf einmal am Ziele ihrer heißesten Wünsche. Sie sah ihre Kleopatra, wie sie sich dieselbe geträumt und gedacht hatte, nun plötzlich vor Augen, lebend, wirklich als Weib, als seiendes, athmendes Wesen, und ebenso tiefer beklagte sie die Schranke, die sie doch noch von ihrem Ziele trennte.«
»Welche Schranke?«
»Nennen Sie es die gesellschaftliche Schranke; nennen sie es auch anders! Es ist der betreffenden Dame leider nicht erlaubt, sich Ihnen in der Weise zu nähern, wie sie es wünscht. Darum bin ich beauftragt worden, einmal vorsichtig zu sondiren. Ich thue das mit wenig Vorsicht aber mit sehr viel Offenheit, wie Sie mir wohl zugeben werden, gnädige Frau.«
»Aufrichtig sind Sie allerdings, mein Herr. Aber bitte, mir doch zu sagen, was Sie zu sondiren beabsichtigen!«
»Ihre Bereitwilligkeit.«
»Bereitwilligkeit? Wozu?«
»Sich malen zu lassen.«
»Ah! Ueberraschend! Mich malen zu lassen?«
»Ja.«
»Von Prinzeß – –«
»Pst, keinen Namen!« fiel Holm schnell ein.
»Gut, ich schweige! Aber Sie scherzen wohl?«
»Wie könnte ich das wagen?«
»Sie sprechen da Etwas aus, was ich für unglaublich halte.«
»So sehe ich leider meine Mission gescheitert.«
Er erhob sich von seinem Fauteuil; aber sie sprang ebenso rasch empor, drückte ihn wieder nieder und fragte: »Halt, keine Uebereilung! Hat man wirklich gefunden, daß ich eine Kleopatra bin?«
»Wäre ich sonst zu Ihnen gekommen?«
»Und man will mich malen, so wie ich bin? Dieses Gesicht? Ganz ähnlich?«
»Portraitähnlich!«
»Und was wird mit dem Gemälde?«
»Es kommt zunächst in die Ausstellung und dann voraussichtlich in die königliche Gemäldegalerie.«
»Wird bei der Ausstellung die Künstlerin genannt, die Malerin?«
»Das versteht sich!«
»Und auch das Original des Bildes?«
»Auf jeden Fall.«
»Mein Gott! So wird es ja bekannt, daß ich es bin!«
»Jawohl.«
»Und daß ich von der Prin – – von einer so hohen, so allerhöchsten Dame gemalt wurde.«
»Ich hoffe, daß Ihnen dies nicht hinderlich sein wird, sich mit meiner Mission zu befreunden!«
»Ganz und gar nicht!«
Sie war in eine unbeschreibliche Aufregung gerathen. Sie schritt im Zimmer auf und ab. In ihren scharfen, eckigen Bewegungen glich sie einer wüthenden Harpye, und doch wollte sie für eine – Kleopatra gelten.
Holm ließ ihr Zeit, sich in die Sache hineinzudenken. Dann fragte er in seiner höflichsten Weise:
»Erlauben gnädige Frau, daß ich weiter spreche? Oder soll ich dieses Thema lieber fallen lassen?«
»Sprechen Sie, sprechen Sie!«
»So darf ich annehmen, daß diese Angelegenheit Ihnen nicht ganz unsympathisch ist?«
»Sympathisch, sogar höchst sympathisch.«
»Ich danke! Auch halte ich es für meine Pflicht, Sie auf die Vortheile aufmerksam zu machen, welche Ihnen aus dieser Angelegenheit ganz sicher erwachsen werden.«
»Welche Vortheile?«
»Sie verkehren mit der betreffenden Dame, oft in ungewöhnlich näher, ich möchte sagen, inniger Weise. Man wird gar nicht anders können: man wird Sie emporziehen müssen. Der
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