Der verlorne Sohn
ebenso genial entworfen!«
»Sehr freundlich!«
»Dieser Hund macht mich neugierig, die Proserpina zu sehen. Es muß ein Kunstwerk werden!«
»Gewiß, gewiß! Leider aber noch nicht fertig. Bitte, mein Verehrtester – wer giebt mir die Ehre?«
Holm steckte den Zwicker auf die Nase, nahm in der Stellung eines Protegirenden auf einem Stuhle Platz und sagte: »Hm! Sie kennen mich nicht?«
»Nein.«
»Wunderbar! Wirklich nicht?«
»Nein, mein Herr. Zwar muß ich Sie bereits gesehen haben, denn ein Portraiteur merkt sich so characteristische, classische Züge, wie Sie besitzen; aber im Augenblicke weiß ich wirklich nicht, wo und wann dies geschehen ist.«
»Schadet nichts! Wissen Sie – hm, ahnen! Eigentlich bin ich nicht Derjenige, der ich jetzt bin. Verstehen Sie?«
»Sehr wohl!«
»Sie wissen, wie man das nennt?«
»Gewiß, gewiß! Man sagt, incognito.«
»Schön! Es handelt sich nämlich um ein Geheimniß!«
»Geheimniß,« wiederholte der Balletmeister und Kunstmaler, indem er sich tief verbeugte.
»Man hat zu Ihnen das Vertrauen, daß Sie ein Geheimniß zu wahren wissen.«
»O, ich bin stumm!«
»Auch taub? Das wird verlangt!«
»Schön! Also taubstumm!«
»Auch blind! Unbedingt nöthig!«
»Ganz nach Befehl! Also blindtaubstumm!«
»Das genügt einstweilen!«
»Und was weiter, wenn ich fragen darf?«
»Nun, es handelt sich um eine sehr hohe Person –«
»Person –?«
»Von fürstlichem Geblüt.«
»Geblüt! Alle Teufel!«
Der Maler machte nach einem jeden Worte, welches er aus Holm’s Munde wiederholte, eine tiefe Verbeugung.
»Diese Dame will sich malen lassen.«
»Von mir?«
»Ja, wenn Sie discret sein können.«
»Mit Leib und Seele!«
»Auch mit Haut und Haar! Wird verlangt!«
»Gut! Auch mit Haut und Haar.«
»Dieses Portrait soll Geschenk werden, Ueberraschung für den allerhöchsten Gemahl dieser höchsten Dame.«
»Ich verstehe, verstehe!«
»Darum darf der Gemahl nichts ahnen.«
»Sehr gut!«
»Die Sitzung muß an einem verborgenen Orte geschehen.«
»Ganz nach hoher und allerhöchster Bestimmung. Darf ich vielleicht mein Atelier anbieten?«
»Wo denken Sie hin! Eine allerhöchste Herrschaft, und hier Ihr Atelier? Das geht auf keinen Fall. Auch kann die Sitzung nicht am Tage stattfinden.«
»Also des Abends?«
»Ja. Uebrigens will die hohe Dame sich als Proserpina malen lassen –«
»Ah! Proserpina mit Höllenhund?«
»Ja. Das Modell zum Höllenhund wird Ihnen geliefert werden. Proserpina, die Göttin der Unterwelt bedarf nächtlicher Beleuchtung. Es ist also höchst vortheilhaft, daß Sie nur Abends malen. Ort und Zeit aber muß Geheimniß bleiben.«
»Kein Mensch soll es erfahren!«
»Schwören Sie!«
»Ich schwöre!«
»Nicht so! Halten Sie die drei Finger empor!«
Der Maler that dies und gelobte:
»Ich schwöre das tiefste Stillschweigen!«
»Natürlich auch gegen Ihre Frau!«
»Hm! Darf diese nicht wenigstens wissen, um was es sich handelt, mein sehr Verehrtester?«
»Stehen Sie unter dem Pantoffel?«
»Nein; aber Aurorchen möchte doch erfahren, warum ich abwesend bin.«
»Gut! Aber Ort und Zeit darf auch sie nicht wissen!«
»Ich gehorche!«
»Gut. So sind Sie also bereit, das Portrait zu übernehmen?«
»Ja.«
»Dann will ich Ihnen das Nähere mittheilen. Die erste Sitzung wird heute Abend sein.«
»O weh!«
»Was?«
»Das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich bin amtlich beschäftigt. Wir geben zwei Ballets.«
»Das weiß ich. Die betreffende Dame ist entschlossen, allerhöchste Rücksicht darauf zu nehmen. Die Sitzung soll in Folge dessen erst Punkt zwölf Uhr beginnen.«
»Gott sei Dank! Aber wo?«
»Man wird Sie per Equipage abholen.«
»Hier?«
»Ja. Elf Uhr fünfundvierzig Minuten werden Sie fertig sein. Sobald der Kutscher unten das Zeichen mit der Peitsche giebt, haben Sie einzusteigen.«
»Ganz nach höchster Intention!«
»Aber noch eins. Es versteht sich ganz von selbst, daß eine so hochgestellte Dame des Mitternachts nicht mit einem Manne allein sein kann!«
»Gewiß, gewiß.«
»Wie denken Sie sich da die Abhilfe möglich?«
»Die Dame wird wohl huldvollst bestimmen, daß sie sich in Gesellschaft befindet.«
»Pah! Wo bleibt da das Geheimniß?«
»Hm! Ja!«
»Mit einer männlichen Person darf sie nicht allein sein; das sehen Sie doch ein?«
»Gewiß, sehr gewiß!«
»Mit einer Dame aber darf sie sich unter vier Augen befinden.«
»Unbedingt!«
»Was wird die Folge sein, Herr Balletmeister?«
»Die
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