Der verlorne Sohn
Vorüberfahren mit der Peitsche klatschen. An der Straßenecke steigen Sie dann ein.«
»Sie selbst fahren?«
»Ja. Man will keinen Kutscher in’s Vertrauen ziehen; darum wird man sich auch eines Privatfuhrwerks bedienen.«
»Das ist ja ein förmlicher Roman, ein schönes Märchen, in welchem Cavaliere und Prinzessinnen vorkommen!«
»Und eine ostindische Königin, gnädige Frau!«
»Freilich!« lachte sie. »Aber bitte, würden Sie mir nicht vielleicht einen Fingerzeig in Beziehung auf meine Toilette angeben?«
»Natürlich! Das ist ja die Hauptsache.«
»Muß ich in Seide gehen?«
»O nein! Das ist nun eben das Interessanteste, das Romantischeste. Sie werden nicht als Dame gehen.«
»Nicht? Wie denn?«
»Als Herr.«
»Aber aus welchem Grunde?«
»Es giebt zwei Gründe. Erstens muß die Dame darauf sehen, daß Sie auf keinen Fall erkannt werden, und da ist Herrengarderobe am Besten geeignet. Und zweitens – ah, kennen Sie Kleopatra’s Leben genauer?«
»Bis in alle Einzelnheiten nicht.«
Holm war überzeugt, daß sie gar nichts wußte. Er sagte:
»Das projectirte Bild soll nämlich diese Königin darstellen, als sie, als Sultan verkleidet, dem Großvezier den Kopf abschlug.«
»Wie Judith! Ein prächtiger Gedanke.«
»Sie müssen sich als Sultan prächtig ausnehmen. Messer und Pistolen im Gürtel und den krummen Säbel in der Faust.«
»Meinen Sie?«
»Ja. Willigen Sie ein?«
»Gewiß.«
»Nun handelt es sich nur um den Anzug.«
»Erlauben Sie, daß ich ihn mir selbst besorge?«
»Wird Ihnen das nicht zu schwierig werden?«
»O nein. Ich gehe selbst zum Maskenverleiher.«
»Aber er darf nicht wissen, daß das Kostüm für Sie ist.«
»Nein. Und wie wünscht die betreffende Dame meine Anrede?«
»Ganz nach Belieben. Sie werden ja unter vier Augen sein, und wenn Sie sich demaskirt haben, so findet sich Alles ganz von selbst. Sind Sie nun gehörig informirt?«
»Vollständig.«
»Dann erlauben Sie, daß ich mich verabschiede.«
»Wir sehen uns am Abend wieder. Vielleicht ist es mir später möglich, Ihnen die Ehre zu erweisen, auf welche Sie gerechten Anspruch haben.«
»Ja, mein Name wird Ihnen allerdings nicht lange unbekannt bleiben, gnädige Frau. Also bitte, pünktlich zu sein, damit ich nicht zu warten brauche.«
»So leben Sie wohl!«
Er küßte ihr höflich die Hand und entfernte sich.
Kaum waren seine Schritte verklungen, so klingelte sie dem Mädchen. Als dieses eintrat, ging ihre Gebieterin im Sturmschritte im Zimmer umher.
»Anna,« sagte sie, »hast Du diesen Herrn schon bereits einmal gesehen?«
»Er kommt mir bekannt vor.«
»Dummkopf! Bekannt! Er ist ein Graf.«
»Herr Jesus! Und ich habe ihn so angeschnauzt!«
»Das wirst Du in Zukunft unterlassen, dummes Ding. Es ist überhaupt ein Geheimniß, daß er bei mir gewesen ist.«
»Auch für den gnädigen Herrn?«
»Kein Wort darf er erfahren! Ist er noch zu Hause?«
»Ich denke, ja.«
»Melde mich an!«
Sie folgte dem Mädchen in Kurzem nach. Ihr Mann stand am Fenster und beobachtete die Passanten.
»Léon!« sagte sie.
Er drehte sich langsam und verdrießlich um.
»Was?« fragte er.
»Kennst Du die Kleopatra?«
»Nein.«
»Mein Gott! Die Kleopatra nicht zu kennen!«
»Kennst Du sie denn?«
»Natürlich!«
»Hast Du sie gesehen?«
»Nein.«
»Mit ihr gesprochen?«
»Nein.«
»Also kennst Du sie nicht. Sie ist ja längst todt!«
»Wie dumm! Ich kenne sie trotzdem.«
»Hm! Wirklich? Wie kommst Du auf die Kleopatra?«
Sie überhörte absichtlich diese letztere Frage und sagte:
»Sie war Königin von Ostindien.«
»Unsinn!«
»Was denn?«
»Königin von Ägypten.«
»Unsinn! Sie besiegte den Kalifen!«
»Nein. Sie besiegte mit ihrer Schönheit erst Cäsar und dann auch den Antonius.«
»Ah! Was Du nicht Alles weißt! Ich aber habe die Beweise in den Händen. Hast Du einmal ihr Bild gesehen?«
»Einige Male.«
»So sieh mich einmal an!«
Er fixirte sie mit erstaunten Blicken.
»Warum?«
»Findest Du nichts?«
»Was soll ich denn finden?«
»Eine ungemeine Ähnlichkeit zwischen mir und Kleopatra.«
Da fiel er in ein lautes Lachen und rief aus:
»Bist Du etwa toll geworden! Du und Kleopatra!«
»Nicht?«
»Wie Tag und Nacht!«
»Welch ein Geschmack! Ich weiß, daß Du meine Vorzüge niemals anerkennst. Aber ich bin dieser Königin von Ostindien ähnlich. Ich habe den Beweis in den Händen!«
»Weib, Du bist ja ganz und gar umgewechselt!«
»Das wird noch ganz anders
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