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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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antwortete er. »Aber die eigentlichen Zauberer leisten doch noch mehr als die Gaukler. Man weiß ja, daß die sogenannte Magie ihre Heimath in Indien hat. Teufel, Engel oder überhaupt Geister gibt es nicht, welche dabei helfen, und doch ist die Kunstfertigkeit jener Leute das Resultat einer geheimen Wissenschaft, welche nur Bevorzugten gelehrt wird.«
    »Gehören Sie vielleicht auch zu diesen Bevorzugten?« fragte die einstige Kammerzofe.
    »Ja,« antwortete er einfach.
    »Wie herrlich! Würden Sie uns eine kleine Probe geben?«
    Dies erschien Allen zudringlich. Er aber antwortete:

    »Gern. Aber ich muß bemerken, daß ich nicht die Macht habe, Unerklärliches zu erklären. Nur die Erfolge der Wissenschaft darf man zeigen, niemals aber über diese Wissenschaft selbst sprechen. Haben die Herrschaften zum Beispiele jemals einen echten Diamanten gesehen?«
    Alles schwieg. Darum fuhr er fort:
    »Meine Frage scheint eine Beleidigung zu sein, ist es aber nicht, wie ich gleich beweisen werde. Merken sie auf! Eins, Zwei, Drei!«
    Bei dem Worte Drei verlöschten sämtliche Lichter, welche den Saal erleuchteten. Wie war das möglich? Vielen begann zu grauen. Da erhob er sich von seinem Sitze und sagte:
    »Jetzt mag mein Ring hier leuchten. Eins, Zwei, Drei!«
    Bei dem letzten Worte entstrahlte seinem Ringe welchen er mit Daumen und Zeigefinger der Rechten emporhielt, eine solche Helligkeit, daß man hätte lesen können. Er schritt auf die Dame des Hauses zu, steckte ihr den leuchtenden Ring an den Finger und sagte:
    »Gestatten Sie, daß ich Ihnen diesen Diamanten, welcher in seiner Art einzig ist, zum Geschenk bestimme!«
    Sie wollte natürlich Einsprache erheben; er wehrte aber kräftig ab und kehrte an seinen Platz zurück. Der Ring leuchtete fort, steckte aber plötzlich an dem Finger einer anderen Dame und machte in ganz kurzer Zeit die Runde in der Weise um den Tisch, daß er an der Hand einer jeden Person einmal geleuchtet hatte. Plötzlich brannten alle Gasflammen wieder, und der Ring steckte an seinem Finger.
    Vielen graute es vor ihm. Er stieß ein halblautes, eigenthümliches Lachen aus und sagte:
    »Die Wissenschaft stößt ab. Ich sehe, daß meine Nähe einigen Damen drückend ist. Ich werde ihnen Erlösung bringen, indem ich mich entferne. Gute Nacht!«
    Die Flammen zuckten einige Male auf-und nieder – der Fürst war verschwunden; sein Stuhl war leer, aber ihn selbst hatte Niemand gehen sehen; er war unsichtbar geworden. Jetzt wußte Niemand, was man sagen sollte. Ihm aber war seine Absicht geglückt. Einige Augenblicke später schritt er durch das Portal auf die Straße hinaus.
    Er eilte mit raschen Schritten die Straße hinab und dann um die Ecke. Dort gab es einen kleinen, offenen Platz, auf welchen die Wasserstraße und auch diejenige mündete, welche er jetzt herabgekommen war. Auf dem Platze standen mehrere Reihen von Buden und Verkaufsständen, vom heutigen Christmarkte her. Dieser Letztere war zu Ende. Die Händler hatten ihre Plätze verlassen, und es war einsam rund umher.
    Es schien, als ob kein Mensch zugegen sei; aber als der Fürst um die Ecke bog und dann, lauschend und sich scharf umsehend stehen blieb, ertönte ein halblautes Räuspern, und eine männliche Gestalt löste sich langsam und vorsichtig aus dem Schatten, welcher zwischen den Buden herrschte.
    Dieser Mann trug einen Pack auf dem Arme und schien Jemand erwartet zu haben. Der Fürst trat mit einigen raschen Schritten auf ihn zu, blieb aber auf der Hälfte des Weges stehen und fragte, auch nur in halblautem Tone:
    »Wer ist es, der hier steht!«
    »Der Diener des Elendes,« antwortete es.
    »Ah, gut!«
    Mit diesen Worten trat der Fürst vollends heran und zog den Anderen in den Schutz der Buden zurück.
    »Man muß vorsichtig sein; man darf das niemals vergessen,« fuhr er fort. »Hast Du alles?«
    »Ja.«
    »Ist Etwas vorgefallen?«
    »Nein.«
    »So gieb’ her!«
    Er zog den Pelz aus und nahm das Packet des Dieners, um mit Hilfe des Letzteren Rock, Ueberkleid und Kopfbedeckung zu wechseln. Die anderen Veränderungen, welche er dann noch mit sich vornahm, konnte man bei der Tiefe des Schattens, in welchem er stand, nicht beobachten; zuletzt aber steckte er noch zwei geladene Revolver in die Tasche.
    »So bin ich fertig,« sagte er dann. »Du kennst die Wohnung der Baronesse Alma von Helfenstein?«
    »Sehr genau.«
    »Sieh’ an Deine Uhr! In Punkt einer Stunde bin ich vor der Thür, um die Kleidung abermals zu wechseln. Keine

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