Der verlorne Sohn
das Wort Sonnenstrahl ist ein schönes helles, lichtes, und doch schmerzt es mich, wenn Du mich so nennst.«
»Warum?«
»Es erinnert mich an meine schweren Versäumnisse. Ja, das Weib soll der Sonnenstrahl sein, welcher das Leben des Mannes erhellt und erwärmt. Du hast so lange, lange Jahre Deine Sonne entbehren müssen.«
»Desto heller und goldiger strahlt sie mir jetzt.«
Sie nickte ihm dankbar lächelnd zu, erhob aber dann den drohenden Finger und sagte:
»Oder giebt es dort im Osten andere Sonnen!«
»Es giebt allüberall, auf der ganzen Welt nur eine einzige und das bist Du!«
»Und wenn ich das nicht glaubte?«
»O, Du glaubst es doch!«
»Wenn ich zweifelte, so wärst Du allein nur schuld.«
»Wieso?«
»Es war einmal Einer bei mir, welcher mir sagte, daß Dein Herz schon längst entschieden hätte.«
»Ah! Wer war das? Er war ein Lügner!«
»Das war ein sonst sehr wahrheitsliebender Herr, nämlich Seine Durchlaucht der Fürst von Befour.«
»Ich?« fragte er erstaunt.
»Ja gewiß! Erinnerst Du Dich nicht?«
»Nein.«
»Du sagtest, Gustav Brandt sei verheirathet.«
Da schlug er ein herzliches Lachen auf und fragte:
»Kannst Du Dir denken, weshalb ich dies sagte?«
»Nein.«
»Ich wollte beobachten, welchen Eindruck diese Kunde auf Dich hervorbrachte.«
»Also ein bloßes Experiment?«
»Ja.«
»Nun, wie war der Eindruck?«
Da nahm er sie in seine Arme, küßte sie innig und antwortete strahlenden Angesichtes:
»Es war ein für mich sehr beglückender. Ich erkannte, daß ich Dir nicht gleichgiltig geworden war.«
»Gleichgiltig? Mein Gott! Gleichgiltig!«
Sie legte ihm ihre beiden Hände auf die Wangen, zog seinen Kopf zu sich heran und küßte ihn viele, viele Male auf den Mund. Dann fuhr sie fort: »Siehst Du nun, ob Du mir gleichgiltig bist?«
»Ich sehe, daß Du mich liebst, und daß ich einen Himmel finden werde. Welch’ ein Unterschied zwischen jenem Tag meiner Flucht, an welchem ich Dich traf.«
»Du hättest mich getroffen?«
»Ja.«
»Und wo war das?«
»Im Walde. Kurz vor dem Forsthause.«
»Ich besinne mich nicht.«
»Du warst zu Wagen und ich zu Pferde.«
»Ach, ja, jetzt entsinne ich mich. Aber noch Eins. Wie gelang es Dir, zu entkommen?«
»Ich wurde von zwei Tannensteinern gerettet.«
»Unmöglich!«
»Ich hätte es auch für unmöglich gehalten.«
»Wer waren sie?«
»Wolf, der Schmied, mit seinem Sohn.«
»Ah, diese! Gott vergelte es ihnen!«
»Ja, auch ich möchte ihnen dankbar sein; aber sie machen es mir leider zu schwer. Gerade jetzt wieder befinden sie sich in Untersuchungshaft.«
»Weshalb?«
»Wegen Pascherei. Ich habe sie bereits einmal gerettet. Zum zweiten Male aber wird es mir unmöglich sein. Uebrigens aber habe ich ihnen gar nicht sehr großen Dank zu zollen dafür, daß sie mich retteten.«
»Wie? Wolltest Du nicht gerettet sein?«
Sein Gesicht nahm einen ernsten, ja trüben Ausdruck an, als er antwortete:
»Ich dachte nicht an Rettung, nicht an Flucht. Ich war zum Tode verurtheilt. Vater hatte mir, ganz meiner eigenen Ansicht angemessen, verboten, um Gnade anzurufen. Ich wollte sterben. Anstatt des Todes aber gab man mir lebenslängliches, entehrendes Zuchthaus. Ich hätte es nicht überlebt. Die beiden Schmiede erschienen als rettende Gewalten, welche ich nicht herbeigesehnt hatte. Sie befreiten mich, weil sie es mir schuldig waren.«
»Schuldig? Wieso?«
»Sie wußten, daß ich unschuldig war. Sie kannten den Mörder.«
»Woher?«
»Sie müssen sich, während der Hauptmann von Hellenbach ermordet wurde, im Walde befunden haben. Sie schwiegen, jedenfalls um ihr Schweigen sich gut bezahlen zu lassen. Sie sind ja auch zu Vermögen gekommen. Und um sich nun mit ihrem Gewissen abzufinden, gaben Sie mir die Freiheit. Laß uns davon schweigen. Denken wir jetzt an die Herren, welche unterdessen eingetroffen sein werden.«
Er verwandelte sich wieder in den Fürsten, gab ihr den Arm und kehrte in den Salon zurück.
Dort befand sich bereits die Mehrzahl der Geladenen. Sie begrüßten die Beiden auf das Respectvollste. Und soeben wurde ein Justizrath gemeldet.
»Der Vorsitzende von damals!« flüsterte Alma.
»Ja. Er hatte es ganz besonders auf meine Verurtheilung abgesehen. Er stellt mir die Fragen zu meinen Ungunsten. Das ist schon die halbe Verurtheilung.«
Der erwähnte Herr trat ein. Er war pensionirt, trug und gab sich aber als ein Mann, welcher seinen Selbstwerth gehörig zu schätzen weiß. Er näherte sich in
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