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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ich!«
    Der Lieutenant wurde unruhig.
    »Nun, worüber erschrecken Sie denn?« fragte er.
    »Die Chilenen stehen freilich auf hundertzwölf, aber die von der letzten Emission. Sehen Sie, die Ihrigen sind heute auf fünfzehn gefallen. Morgen werden sie gar nichts mehr werth sein. Ich kann sie nicht als Zahlung nehmen.«
    »Donnerwetter!« entfuhr es dem Lieutenant. »Ich habe sie für Hundert und auch noch mehr nehmen müssen!«
    »Tragen Sie sie gleich wieder hin!«
    »Das wollte ich; aber ich kann sie nicht los werden.«
    »Warum nicht?«
    »Die Herren, von denen ich sie habe, sind verreist.«
    »Wer sind die Leute?«
    »Ein Rentier Schönlein – –«
    »Schönlein?« fiel der Jude ein. »Den kenne ich; der ist gut, sehr gut. Er besitzt ein großes Vermögen.«
    »Aber er ist auf einige Monate verreist. Und einen zweiten Theil der Obligationen habe ich von Freimann und Compagnie.«
    »Auch gut, außerordentlich gut sogar.«
    »Herr Freimann ist auch verreist. Ich traf seinen Buchhalter, welcher nicht zu disponiren vermochte.«
    »So warten Sie, bis die Herren zurückgekehrt sind.«
    »Kann ich denn?«
    »Warum nicht?«
    »Ich brauche ja Geld!«
    »Sie scherzen. Die Scharfenbergs sind reiche Leute.«
    »Gewiß. Aber Sie wissen bereits, daß ich jetzt keine Capitale zur Verfügung habe. Und wie steht es denn mit meinem Ehrenscheine?«
    »Er ist zu Ihrer Verfügung. Sie sind ja gekommen, ihn einzulösen.«
    »Sie nehmen aber die Obligationen nicht an!«
    »Sie sind werthlos.«
    »Aber anderes Geld habe ich nicht!«
    Da blickte der Jude mit dem Ausdrucke des Unglaubens zu ihm hinüber und sagte:
    »Der Herr Lieutenant ist ein spaßhafter Cavalier. Die Frist ist abgelaufen. Die Schuld muß bezahlt werden.«
    »Ich habe nur diese Papiere.«
    »Kein Geld?«
    »Nein.«
    Er hätte nicht einmal diese Papiere gehabt. Er hatte ja gestern Abend gegen sie und seinen Baarverlust sein Leben eingesetzt und diesen Einsatz verloren. Heute nun waren ihm die Chilenen zugestellt worden, und zwar mit folgenden Zeilen:
    »Herr Lieutenant.
     
    Sie haben den beifolgenden Obligationen gestern einen Werth angedichtet, den sie keineswegs haben. Obgleich nun nach dem offiziellen Paragraphen des Gesetzbuches Spielschulden nicht einklagbar sind, gebietet doch das Gesetz der Ehre, sie zu bezahlen. Sie setzten die Scheine je zehn Stück zu angeblich tausend Gulden. Ich habe sie von den anderen Gewinnern dafür erstanden und sende sie Ihnen in der Ueberzeugung zurück, daß Sie mir binnen vierundzwanzig Stunden den vollen Betrag baar zugehen lassen.
    Oberlieutenant von Hagenau.«
     
    In Folge dieses Briefes war ihm himmelangst geworden. Er kannte Hagenau. Er wußte, wie streng dieser auf Ehre hielt. Er war überzeugt, bei ihm kein Erbarmen zu finden, wenn es ihm nicht möglich sei, das Geld binnen der angegebenen Frist zu beschaffen. Das anfängliche Verhalten des Juden hatte ihn mit Hoffnung erfüllt! Desto bitterer und größer war nun die darauf folgende Enttäuschung. Er fühlte eine förmliche Angst vor Dem, was nun kommen werde.
    »Also nicht?« fragte Salomon Levi.
    »Nein.«
    »Nun, da werde ich dafür sorgen, daß ich bezahlt werde!«
    »Darf ich fragen, was Sie thun werden?«
    »Ich werde diesen Ehrenschein Ihrem Oberst präsentiren!«
    »Beim Teufel! Das werden Sie unterlassen!«
    »Beim Teufel! Das werde ich thun!«
    »Sie ruiniren mich!«
    »Und Sie mich, wenn ich es unterlasse. Jeder aber ist sich selbst der Nächste.«
    »Ich hoffe, daß Sie Verstand annehmen!«
    »O, ich bin sehr bei Verstande! Ich weiß aber nicht, ob es sehr verständig ist, so wie Sie zu handeln!«
    »Donnerwetter!«
    »Fluchen Sie nicht, Herr Lieutenant! Es hilft Ihnen zu nichts. Ich habe Ihnen bereits wiederholt Frist gegeben; nun aber brauche ich mein Geld; ich muß es haben!«
    »Sie brauchen es nicht!«
    »Meinen Sie! Können Sie in meine Bücher sehen? Ich werde gedrängt; ich muß zahlen. Die Frist, welche ich Ihnen in Rollenburg gab, ist abgelaufen. Wenn Sie nicht zahlen können, gehe ich zum Oberst.«
    Der Jude sprach in einem so entschiedenen Tone, daß Scharfenberg erkannte, daß es sein Ernst sei. Er fragte kleinlaut: »Wollen Sie nicht wenigstens bis morgen warten?«
    »Nein.«
    »Wenn ich nun Ihnen eine Abschlagszahlung leiste?«
    »Womit wollen Sie zahlen?«
    »Ich werde diese Obligationen verkaufen. Ich nehme dafür, was man mir bietet.«
    »Das ist zu wenig!«
    »Aber doch Etwas!«
    »Wer soll Sie Ihnen abkaufen!«
    »Vielleicht Sie!«
    »Ich?

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