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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wo haben sie es?«
    »Zu Hause.«
    »So holen Sie es!«
    »Wir sind ja gar nicht einig geworden?«
    »Einig? In welcher Beziehung?«
    »Ueber den Preis!«
    »Der ist doch fünf Gulden.«
    »Ja, für gewöhnlich. Aber heute und morgen sind die letzten Ziehungstage, an denen die größten Gewinne gezogen werden. Wie leicht kann gerade auf diese Nummer ein bedeutender Gewinn kommen.«
    »Das bilden Sie sich ja nicht ein!«
    »Sie können ebenso wenig so genau wissen, daß ich keinen Gewinn habe.«
    »Sie wollen also mehr als fünf Gulden.«
    »Ja.«
    »Sind Sie ein Wucherer?«
    »Ich nicht.«
    »Gut, so behalten Sie Ihr Loos. Ich brauche es ja nicht. Ich kam nur so nebenbei auf den Gedanken, es zu kaufen.«
    Herold besann sich. Auf der einen Seite lag die Möglichkeit eines Gewinnes; auf der anderen bedachte er, daß er eine Leiche zu Hause habe, aber keinen Kreuzer Geld. Und dazu die hungernden Kinder.
    »Wieviel würden Sie mir dafür geben?« fragte er.
    »Die richtigen fünf Gulden.«
    »Nein. Die kostete das Loos bereits vor einem halben Jahre. Mit jedem Tage steigt sein Werth, weil die Wahrscheinlichkeit, zu gewinnen, steigt.«
    »So will ich sein sehr nobel und Ihnen geben das Doppelte – zehn Gulden.«
    »Auch dafür gebe ich es nicht hin. Wenn ich es einmal verkaufe, so muß ich gleich so viel dafür bekommen, daß ich meine Schwiegermutter begraben lassen kann.«
    »Au waih! Was hat eine Schwiegermutter mit einem Lotterielose zu thun? Nun wird es geben ganz gewiß und sicher eine Niete!«
    »So warte ich es ab. Zwanzig Gulden bietet mir ein Jeder.«
    »Gut, so werde ich auch geben zwanzig. Das ist das Höchste, was man geben kann, für so einen Zettel.«
    Der Graveur rechnete leise hin und her. Endlich war er fertig und entgegnete:
    »Mit zwanzig Gulden reiche ich nicht aus. Ich brauche mehr. Für zwanzig verkaufe ich es also nicht.«
    »Was sind Sie für ein Mensch! Wollen Sie etwa haben tausend Gulden?«
    »Nein, so unsinnig bin ich nicht; aber mit dreißig Gulden würde ich wohl langen.«
    »Dreißig, Dreißig? Dafür verkaufen Sie es?«
    Dem Juden hüpfte das Herz im Leibe vor Entzücken.
    »Ja, dafür verkaufe ich es,« antwortete Herold. »Für dreißig Gulden baar.«
    »Eine grausam große Summe! Aber wie gesagt, meine Frau will gern ein Loos; es ist keins mehr zu haben; Sie brauchen Geld, und einen Vorschuß darf ich Ihnen nicht geben, da die Platten nicht für mich gefertigt werden. Darum will ich in Rücksicht auf Ihre bedrängte Lage und auf den Wunsch meiner Frau Ihnen die dreißig Gulden geben. Also Sie machen mit?«
    »Ich? Ja.«
    »Topp! Schlagen Sie ein!«
    Er hielt dem Graveur die Hand hin; dieser aber zögerte, einzuschlagen.
    »Nun?« fragte der Jude.
    »Ich muß erst sehen, ob meine Frau mitmacht.«
    »Ihre Frau? Was hat die dabei zu sagen? Sie sind doch Mann, und was Sie beschließen, das muß gelten!«
    »Und doch möchte ich sie erst fragen.«
    »Warum denn?«
    »Nun, erstens ist sie eigentlich schuld, daß wir das Loos genommen haben, und zweitens – –«
    Er stockte einigermaßen verlegen.
    »Nun, und zweitens?«
    »Ich will aufrichtig sein, obgleich Sie mich vielleicht auslachen werden. Meine Schwiegermutter hat nämlich kurz vor ihrem Tode meiner Frau versprochen, den lieben Gott zu bitten, daß er uns Etwas in der Lotterie gewinnen lasse.«
    »Und Ihre Frau glaubt auch, daß die Todte ihr Versprechen wirklich erfüllen kann?«
    »Vielleicht.«
    »Und daß Gott auch herunterkommt und ein Loos für sie ziehen läßt?«
    »Bei Gott ist kein Ding unmöglich.«
    »Wissen Sie aber, daß es Gotteslästerung ist, Gott Zebaoth mit der Lotterie in Verbindung zu bringen?«
    »Das mag sein, doch sind die Frauen ja stets gläubiger und mystischer angelegt, als wir Männer.«
    »Aber einen solchen Unsinn darf ein Mann auf keinen Fall dulden.
    Bedenken Sie die Noth, in der Sie sich befinden. Sie brauchen Geld, und zwar augenblicklich.«
    »Das weiß ich wohl, und darum werde ich meiner Frau zureden, das Loos zu verkaufen.«
    »Thun Sie das. Aber ich sage Ihnen, daß ich mein Angebot nur eine Viertelstunde aufrecht erhalte!«
    »Später zahlen Sie nicht dreißig Gulden?«
    »Fällt mir gar nicht ein! Ich bin grad jetzt bei guter Laune. Ich lasse mir in Geschäftssachen nicht einmal von meiner Frau Vorschriften machen, von der Frau eines Fremden aber nun gar nicht. Gehen Sie, und fragen Sie! Binnen einer Viertelstunde zahle ich dreißig Gulden, später aber nicht!«
    Herold ging. Der Jude wartete

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