Der verlorne Sohn
verschwindet oder gar geraubt wird, so ist es Sache der Polizei, nach ihm zu forschen.«
»Und man hat sie gefunden?«
»Ja. Sie hat sich nämlich selbst finden lassen.«
»Erkläre das!«
»Nun, sie ist nämlich gar nicht krank gewesen.«
»O doch, und zwar sehr! Das weiß ich am Besten!«
»Nichts weißt Du! Ich will Dir sagen, daß der Baron sie hat los werden wollen. Er hat ihr ein Gift eingegeben, welches den Starrkrampf bringt.«
»Herrgott!«
»Dann hat er sie nach der Irrenanstalt geschafft, wo er sie sterben lassen wollte. Das hat aber der Fürst des Elendes erfahren, und er hat sie gerettet, indem er sie aus der Irrenanstalt entführen ließ.«
»Ist das wahr?«
»Wirklich und wörtlich.«
»Hat sie den Starrkrampf noch?«
»Nein. Sie ist hergestellt. Sie hat ihre volle Besinnung. Sie spricht sehr viel von Dir.«
»Von mir? Mein Gott! Weißt Du, sie hat mich oft gescholten und gepeinigt; aber dennoch ist sie mir tausendmal lieber gewesen, als der Baron. Ich wollte, ich könnte wieder bei ihr sein. Kommt sie nicht wieder?«
»Nein, auf keinen Fall.«
»So wünsche ich, ich könnte zu ihr!«
»Vielleicht ist das möglich zu machen.«
»Man müßte wissen, wo sie ist.«
»Freilich!«
»Haben die beiden Polizisten nicht davon gesprochen?«
»Sie thaten das, und ich habe mich sodann überzeugt, ob es auch wirklich wahr ist.«
»Ist es wahr?«
»Ja.«
»Aber Du sagtest doch, daß Du den Ort nicht weißt!«
»Na, man muß nicht Alles sofort ausplaudern! Ja, ich weiß, wo sie ist, liebes Kind.«
»Bitte, bitte, sage es mir!«
»Jetzt nicht. Sie hat es mir verboten. Sie muß erst wissen, ob Du ihr treu sein wirst.«
»Das will ich, gewiß, gewiß.«
»Aber dann müßtest Du vom Baron fort!«
»Ich würde sogleich gehen.«
»So schnell ist das nicht möglich. Vorher muß die Baronin Einiges erfahren, was zu wissen ihr sehr nothwendig ist.«
»Was ist das?«
»Verschiedenes. Wir werden nachher, wenn Du Zeit hast, davon sprechen. Hier ist es nicht gut, länger stehen zu bleiben.«
»Du hast recht. Ich werde dafür Sorge tragen, daß Du unbemerkt zu mir hinaufkommen kannst. Ich komme, sobald der Weg frei ist und hole Dich.«
Sie kehrte in das Palais zurück, und er postirte sich so, daß er das Portal scharf im Auge behielt. – –Die Zeit verging. Der Zug, mit welchem der Fürst mit Adolf zurückkehrte, näherte sich der Residenz.
»Du wirst,« sagte der Fürst zu dem Letzteren, »direct vom Bahnhofe weg Anton aufsuchen, um mit ihm Wache zu stehen, während ich nach meiner Wohnung fahre, um mich zu verkleiden. Ich komme dann rasch nach.«
Adolf hatte während der letzten Zeit nachdenklich in seiner Ecke gesessen. Jetzt sagte er:
»Durchlaucht, ich habe einen Gedanken, welcher vielleicht nicht ganz schlecht zu nennen ist.«
»So heraus damit.«
»Es ist für uns von Wichtigkeit, zu wissen, ob die Schmiede wirklich nach der Residenz kommen.«
»Ich bin überzeugt davon.«
»Es ist immer noch besser, wirkliche Sicherheit zu haben.«
»Weißt Du einen Weg, sie zu erlangen?«
»Ja.«
»Ich nicht. So wärst Du also scharfsinniger, als ich.«
»O, es ist nur ein zufälliger Gedanke. Ob er Erfolg hat, muß erst abgewartet werden.«
»Nun, so laß hören.«
»Es muß den Schmieden daran gelegen sein, den Baron auch wirklich zu treffen –«
»Das versteht sich!«
»Sie werden also dafür sorgen, daß er heute zu Hause ist.«
»Ah! Du denkst sie benachrichtigen ihn?«
»Ja.«
»Das könnte nur durch eine Depesche geschehen sein. Ein Brief wurde zu spät kommen.«
»Das eben denke ich auch.«
»Aber es ist gefährlich für sie.«
»O, sie werden sich doch nicht unterschreiben.«
»Hm! Du meinst, daß ich im Telegraphenamte nachfrage?«
»Ja. Man muß Ihnen Auskunft ertheilen.«
»Dein Rath ist nicht ganz übel. Ich werde ihn befolgen.«
»Es sollte mich freuen, wenn ich das Richtige getroffen hätte. Jetzt kommen wir an. Bitte, Durchlaucht, erlauben Sie mir, eher auszusteigen. Dieser Agent Bauer braucht nicht zu wissen, welche Klasse ich gefahren bin.«
Der Zug hielt an und Adolf sprang sofort hinaus, um zu verschwinden. Der Fürst bestieg eine Droschke und ließ sich nach dem Telegraphenamte bringen. Dort nannte er seinen Namen, zeigte die vom Minister unterschriebene Karte vor und fragte, ob heute ein Telegramm an den Herrn Baron Franz von Helfenstein angekommen sei.
»Ja,« antwortete der Beamte.
»Mit welchem Wortlaute?«
»Hier ist die Depesche.«
Er
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