Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
es sich nicht bei Ihrer Herrin borgen?«
    »Wo denken Sie hin! Ich bin bei ihr so kurze Zeit in Stellung und sollte sie anborgen? Die würde mich jedenfalls sofort zum Teufel jagen.«
    »Ich will mir die Sache überlegen. Kommen Sie morgen um Mitternacht wieder an die betreffende Stelle. Da will ich Ihnen Bescheid sagen.«
    »Danke! Ich hoffe, daß Sie mich nicht verlassen werden, nachdem ich Ihnen heute gezeigt habe, daß ich brauchbar bin.«
    »Ich werde mich Ihrer annehmen. Jetzt aber müssen wir an den Augenblick denken. Unser Vorhaben ist mißglückt. Was bleibt uns nun zu thun?«
    »Nichts wohl, als daß wir nach der Residenz zurückkehren.«
    »Ja, was wollen wir sonst thun. Aber, wissen Sie, da es so steht, braucht man uns gar nicht neben einander zu sehen. Wir wollen uns also trennen. Nicht?«
    »Wie Sie befehlen!«
    »Sie haben doch Geld?«
    »Wenig genug.«
    »Nun, so will ich Ihnen auf Abschlag hier diese zehn Gulden geben. Morgen Abend hoffe ich, mit Ihnen ein Geschäft zu entriren, welches Ihnen mehr einbringen wird.«
    Er gab ihm die erwähnte Summe und dann ging Adolf. Er begab sich natürlich sofort nach dem Bahnhofe. Er sah den Fürsten nicht dort, wartete aber, da er ahnte, daß dieser nach dem Gerichtsgebäude gegangen sei, um sich zu erkundigen, aber sicher vor dem Abgange des nächsten Zuges zurückkehren werde.
    Nach einiger Zeit kam auch der Agent in das Wartezimmer, setzte sich aber nicht zu Adolf, that vielmehr, als ob er denselben gar nicht kenne. Dieser aber ging an die Kasse und löste sich ein Zuschlagsbillet, um mit dem Fürsten in demselben Coupee fahren zu können. Er sagte sich, daß er mit ihm hier auf dem Bahnhofe nicht reden dürfe, um dem Agenten nicht Anlaß zum Mißtrauen zu geben.
    Die Zeit verging und der Zug stand bereit. Der Agent war bereits eingestiegen. Da kam der Fürst, als es eben zum zweiten Male läutete, erblickte ihn, gab einen Wink und stieg in ein Coupee. Adolf folgte sofort.
    »Hast Du Billet?« fragte Befour.
    »Ja, Durchlaucht.«
    »So bist Du also vorbereitet gewesen, mit mir zu fahren?«
    »Ja. Ich habe mich von dem Agenten los gemacht, oder vielmehr er sich von mir.«
    »Ihr habt natürlich erfahren, was geschehen ist?«
    »Ja und zwar in der Restauration.«
    »Ich las es schon auf dem Bahnhofe und habe sofort nach Hause telegraphirt.«
    »Ah! Ich errathe. An Anton?«
    »Allerdings.«
    »Sie glauben, daß die Flüchtlinge sich nach der Hauptstadt wenden werden!«
    »Unbedingt. Sie haben keinen Menschen, der ihnen die Mittel zur weiteren Flucht geben kann, als den Baron.«
    »So suchen sie ihn auf. Aber bis zur Residenz ist es weit. Sie haben kein Geld, vielleicht nicht einmal vollständige Kleidung.«
    »Das wird sie wenig kümmern. Was ihnen da fehlt, das werden sie zusammenbringen. Auch laufen werden sie nicht; eher stehlen sie sich ein Geschirr. Ich kenne die beiden Schmiede. Sie werden darnach trachten, noch heute nach der Hauptstadt zu kommen, ehe sie durch ihr Signalement weiter bekannt werden.«
    »Hält Anton Wache?«
    »Jedenfalls. Weißt Du nicht, ob er sein früheres Verhältniß zur Zofe der Baronin aufgelöst hat?«
    »Das fällt ihm nicht ein!«
    »So ist sie noch seine Geliebte?«
    »Ja. So lange wir den Baron zu beobachten haben, giebt Anton dieses Mädchen nicht auf.«
    »Ist sie denn noch im Dienste?«
    »Ja. Ihre Herrin ist zwar verschwunden; der Baron hat aber vom weiblichen Dienstpersonale noch Niemand entlassen.«
    »So wird Anton sich heute vielleicht an ihre Hilfe wenden.«
    Der Fürst hatte damit richtig gerathen. Anton hatte speziell die Bewachung der Baronin Ella übertragen bekommen. Daher ging er jetzt weniger aus und war stets zu Hause. Die Depesche kam also sofort nach ihrer Ankunft in seine Hand.
    Als er sie gelesen hatte, überlegte er einen Augenblick, dann steckte er verschiedene Kleinigkeiten zu sich und begab sich nach dem Helfenstein’schen Palais.
    Er kannte das Fenster des Stübchens seiner Geliebten sehr genau, und ebenso kannte sie das Zeichen, welches er ihr zu geben pflegte. Es war dunkel geworden. Er klatschte in die Hände und da zeigte sich der Schatten des Mädchens am Fenster. Das war das Zeichen, daß sie herabkommen werde.
    Nun begab er sich nach der vorderen Seite des Palais, wo er sie bald heraustreten sah. Sie schritt nach dem Brunnen zu, welcher auf dem Platze stand, und er folgte ihr.
    »Endlich!« begrüßte sie ihn. »Wie lange ist es her, daß ich Dich nicht zu sehen bekommen habe!«
    »Eine wahre

Weitere Kostenlose Bücher